Ultraleichtflugzeug Silence V-2 im Spitfire-Design

Ultraleichtflugzeuge kennen wir in Deutschland unter der Bezeichnung UL seit den 1970er-Jahren. Vorher nannte sich diese Flugzeugklasse je nach Zeitraum etwa: Leicht-, Kleinst-, Volks- oder Einfachstflugzeug. Die Silence ist ein typischer UL im beinahe Retro-Design, aber mit moderner Verarbeitungstechnik. Befassen wir uns mit der Motorfliegerei in Deutschland, so können wir als Ausgangspunkt für die ganz bewusste Konstruktion von ultraleichten Flugzeugen den 5. Rhön-Segelflugzeug-Wettbewerb im Jahre 1924 auf der Wasser­kuppe nennen. Ein Fluggerät für jedermann, eine leichte und sichere Konstruktion mit einem kleinen, wirtschaft­lichen und zuverlässigen Motor, ein Einfachstflugzeug, ein so genanntes Volksflugzeug. Das war es, was die Konstruktions-Pioniere in den besonders schweren Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg antrieb. Ein einsitziges und gutmütiges Fluggerät, erschwinglich auch für eine breitere Bevölkerungsschicht. Die Welt­wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren stoppte manche erfolgreiche Konstruktion. In der Not war für Viele die Anschaffung des günstigsten Volksflugzeugs nicht möglich. Langer Neustart Von den ab Mitte der 1920er-Jahre erfolgreich in Serie gefertigten deutschen Sportflugzeugen, passen einige Kon­struk­tionen von Hanns Klemm sehr gut in die heutige Flugzeug­klasse Ultraleicht. Etwa die zweisitzige Klemm-Daimler L-20 mit einer Abflugmasse von 450 Kilogramm (kg). Nach Ende des Zweiten Weltkriegs verhängten die alliierten Siegermächte ein grundsätzliches Flugzeugbau- und Flugverbot über das Nachkriegsdeutschland. 1951 wurde dann der Segelflug und erst 1955 der Motorflug wieder zugelassen. Die wenigen deutschen Hersteller von Sport- und Reiseflugzeugen muss­ten sich den Markt mit den dominierenden US-amerika­nischen Produzenten, hauptsächlich Cessna und Piper, teilen. Auch die Konkurrenz der bekannten Maschinen aus Frank­reich, etwa Jodel und Morane, war groß. Bis auf wenige Nischenprojekte standen einfache und ultraleichte ein- bis zweisitzige Sportflugzeuge nicht bei den Konstrukteuren und Firmen in der BRD auf dem Plan. Als ab den 1980er-Jahren der Motorflugsport auch und besonders durch die Besteuerung des Flugbenzins immer kostenintensiver wurde, gab es eine spürbare Trendwende hin zum billigeren Reisemotorsegler und zu den verstärkt aufkommenden, aerodynamisch gesteuerten Ultraleichtflugzeugen. Zwischen­zeitlich waren UL-Flugzeuge den Kinderschuhen weitgehend entwachsen. Gab es anfangs kaum Akzeptanz bei einem großen Teil der so genannten Echo-Klasse-Motorfliegerkollegen hat sich dies heute weitgehend gelegt. Viele der heute angebotenen UL-Konstruktionen haben kein Problem bei einem Leistungs- und Kostenvergleich mit manchen seit Jahr­zehnten in enormen Stückzahlen gefertigten, bekannten amerikanischen Sport- und Reiseflugzeugen. Seit 1993 gilt in Deutschland die Luftsport­geräteverordnung für UL-Flugzeuge. Etwas vereinfacht gesagt sind damit die UL, Hängegleiter, Gleitsegelflugzeuge und Sprungfallschirme von den strengeren Auflagen der so genannten allgemeinen Luftfahrt ausgenommen. Für die Definition eines Ultraleicht gilt in Deutschland in erster Linie das Maximalgewicht von 300 kg für Einsitzer und 450 kg für Doppelsitzer. Das Gewicht des vorgeschriebenen Gesamtrettungssystem nicht mit ­eingerechnet. Im Dezember 2010 waren in Deutschland 2.539 aerodynamisch gesteuerte Ultraleichtflugzeuge zugelassen. Vom Modell zum UL In der sehr umtriebigen Ultraleicht-Szene sind es nicht selten die RC-Flugmodellbauer, die sich durch den Amateurbau den Traum vom maßgeschneiderten Flugzeug erfüllen wollen. So auch die Brüder Matthias und Thomas Strieker, die sich seit langem schon mit dem Modellbau und -fliegen befassen. Thomas flog über viele Jahre sehr aktiv im Bereich der RC-Modellmotor-Kunstflugklasse F3A. Ab 1996 reifte der Gedanke vom einsitzigen, sehr schnittigen UL in Voll-GFK-Bauweise. Neben dem abgeschlossenen Maschinen­bau­studium kamen noch all die praktischen Erfahrungen aus dem Flugmodellbau hinzu. Als Versuchsobjekt für die generelle aerodynamische Aus­legung diente zuerst ein RC-Flugmodell, was bei Konstrukteuren aus dem Modellflugbereich ja nicht besonders erstaunt. Der aerodynamisch sehr sauber durchgebildete Tiefdecker erinnert mit seinen elliptischen Flügel- und Leitwerksgrundrissen an die legendäre Supermarine Spitfire und an die Bäumer Sausewind von 1925. Diese Tragflächen­form bringt sowohl optische wie auch aerodynamische Vorteile mit sich, wirkt sehr harmonisch und bietet eine nahezu perfekte Auftriebsverteilung. Wie die Formel 1 Gefertigt wird die UL-Silence in Negativformen. Der Aufbau besteht aus einem Wabensandwich mit GFK-Beschichtung. Diese Strukturbauteile weisen ein geringes Gewicht auf, sind jedoch hochfest. Das Cockpit wurde als Monocoque in Doppelwabensand­wich­bauweise ausgelegt, also eine Sicherheitscockpitzelle ähnlich dem eines Formel-1-Fahrzeugs. Das Zweibeineinziehfahrwerk wird elektrisch bewegt und schwenkt beim Einfahren um eine schräge Achse nach hinten, die Räder verschwinden so fast vollständig in der hinteren Tragflächen-Rumpf-Verkleidung. Der Erstflug der Silence V-1 mit der Kennung D-MTMH fand im Herbst des Jahres 2000 statt. Als Antrieb diente ein Rotary-Wankelmotor mit einer Leistung von 65 PS. Das folgende Versuchsmuster V-2 – teilweise auch als erste Serienmaschine bezeichnet – mit der Kennung D-MTMO erhielt als Antrieb den Mid-West AE 50 Harrier-Wankelmotor. Leistung „nur“ 55 PS jedoch 35 kg leichter als etwa der Rotary in der V-1. Trotz der etwas mager anmutenden Motorleistung ist damit eine Höchstgeschwindigkeit von 260 Kilometer in der Stunde möglich – noch schneller ist nicht erlaubt, da dies schon die Betriebshöchstgrenze des Gesamt­rettungssystems ist. Leider gab es keinen perfekt abgestimmten Propeller für diesen Antrieb, sodass man sich letztendlich für den 80-PS-Vierzylinder-Boxermotor Jabiru 2200 entschied. Leider passte dieses Triebwerk nicht mehr so ohne Weiteres unter die elegante Silence-Rumpfspitze, sodass eine Cowling mit Hamsterbacken unumgänglich wurde. Als Erprobungs­träger diente wieder die D-MTMO V-2, die nun SA 180 Twister genannt wurde. Der Erstflug fand am 05. September 2002 auf dem Fluggelände in Bielefeld-Windelsbleiche statt. Die Silence wird als Bausatz- und Fertigflugzeug angeboten und da der Kunstflug mit Ultraleichtflugzeugen untersagt ist, gibt es auch eine verstärkte Ausführung in einer Experimental-Version für den fast grenzenlosen Flugspaß. Die für den Kunstflug zugelassenen SA Twister fliegen derzeit wohl hauptsächlich in England in der Light-Aircraft-Flugzeug­klasse. Da gibt es sogar Formations-Showteams, die mit der Twister regelmäßig die Zuschauer begeistern. Besonders das SWIP-Team – vormals Twister Duo – zeigt beindruckende Vorführungen mit ihren beiden von Zulu Glasstek (UK) modifizierten und endmontierten Twister, die von einem 100 PS kräftigen UL260iSA Vierzylinder-Motor angetrieben werden. Als Bausatz mit Motor und Fluginstrumenten kostet die Silence derzeit etwa 47.000,– Euro. Die etwaige Fertigstellung des Bausatzes plus Zulassung, schlägt bei einem Partner­be­trieb von Silence Aircraft in Litauen mit etwa 19.000,– Euro zu Buche. Im Detail: Rumpf Voll-GFK-Konstruktion in Wabensandwichbauweise. Der Rumpf hat eine Breite von 732 Millimeter (mm), die maximale Höhe beträgt 1.005 mm ohne Kühler. Die Querschnitte werden aus Kreisbögen und Ellipsen gebildet. Das Cockpit ist als Monocoque in Kevlar-Doppelwabensandwichbauweise aufgebaut. Der Pilot sitzt auf einer sehr steifen Kohlefaser-Sitzschale. Die großzügig ausgelegte Plexiglashaube öffnet sich nach rechts. Der Einstieg erfolgt von vorne über die Tragflächenwurzel. Der gepolsterte Sitz bietet keine Verstellmöglichkeit, jedoch lassen sich die Seitenruderpedale den verschiedenen Beinlängen anpassen. Am Steuerknüppel befinden sich auch die Trimmknöpfe für die elektrische Federtrimmung nebst dem Bedienschalter für das Funkgerät. Der Gashebel ist links neben der Sitzschale angebracht, der Schalter für die Landeklappen befindet sich am Instrumenten­brett. Dort findet sich auch der Betätigungsschalter für das elektrische Einziehfahrwerk. Am Cockpitrahmen ist der Notgriff für das Gesamtrettungssystem angeordnet. Das Gesamtrettungs-Fallschirmsystem findet seinen Platz hinter dem Brandschott. Tragfläche und Leitwerke Die Tragfläche ist eine freitragende Tiefdeckerkonstruktion in GFK-Wabensandwichbauweise. Kennzeichen ist der elliptische Flächengrundriss mit einem vollsymmetrischen Laminarprofil. Pro Flügelseite hat die Tragfläche eine V-Stellung von je 4 Grad. Die Landeklappen haben eine Länge von je 1.450 mm und lassen sich über einen elektrischen Antrieb maximal 30 Grad nach unten ausfahren. Die Querruder messen je 1.275 mm, der Ruderantriebshebel befindet sich auf der Unterseite an der Ruderwurzel. Der Rudergewichtsausgleich befindet sich vollständig innerhalb der Tragfläche. Die Silence hat eine herkömmliche Leitwerkskonstruktion. Der Aufbau ist identisch mit der Tragfläche. Das Seitenruder hat im oberen Teil eine große Ausgleichsfläche vor der Ruderdrehachse. Beim Fahrwerk handelt es sich um ein einziehbares Zwei­beinfahrwerk mit festem und verkleidetem Spornrad. Die GFK-Hauptfahrwerksbeine sind am Rumpf mit einer schrägen Drehachse gelagert und werden durch den elektrischen Antrieb nach hinten in den Rumpf-Flächenübergang eingefahren. Die Hauptfahrwerksräder ragen in eingefahrener Position noch leicht aus den Radschächten heraus, die Radschächte werden durch die Verkleidungen nur teilweise abgedeckt. Die Räder des Hauptfahrwerks sind bremsbar ­ausgelegt, betätigt über die Fußspitzenbremsen. Das Spornrad ist lenkbar ausgeführt. Unter der aerodynamisch sehr sauber ausgeführten Cowling befindet sich der Einscheiben-Wankel Mid-West AE 50 Harrier-Motor. Ein optisch sehr gefällig verkleideter Kühl­lufteinlauf ist an der Cowling-Unterseite. Die warme Abluft entweicht an der Oberseite durch eine Reihe von Kühl­schlitzen. Die Oberseite der Motorverkleidung ist abnehmbar und bietet so einen optimalen Zugang für Wartungszwecke am Triebwerk. Als Luftschraube dient ein fester Helix-Zwei­blattpropeller mit einem Durchmesser von 1.600 mm. Die Propellernabe ist durch einen Spinner vollständig verkleidet. Dank und Quellen Diese Typendokumentation entstand nicht zuletzt in Erinnerung an meinen Freund Jochen „Cassius“ Ewald, der die Silence in seiner Aufgabe als freier Luftfahrtjournalist mehrmals begeistert flog. Bevor er im Dezember 2010 verstarb, war geplant, diese Typendokumentation einmal gemeinsam zu erstellen – dazu kam es leider nicht mehr. Bei Eckart Müller von RC-Network lassen sich für einen etwaigen Modellnachbau der Silence die Schriftzüge „Silence“ und „HELIX“ als Vektorschriftdateien beziehen.