Trend Gleitschirmfliegen

Auch der Modellflug ist bestimmten Modetrends unterworfen. Waren es bis vor ein paar Jahren noch die Hubschrauber, die einen wahren Boom für sich verbuchen konnten, so rücken derzeit andere Fluggeräte vermehrt in den Fokus der Modellsportler, nämlich die ferngesteuerten Gleitschirme. RC-Gleitschirme gibt es schon seit längerem, doch erst seit ein bis zwei Jahren gibt es ein paar kleinere Hersteller, die die bislang als exotisch geltenden Fluggeräte vertreiben. Mit der Präsentation einer eigenen RC-Gleitschirmserie hat die Firma Hacker zur Spielwarenmesse 2011 auf sich aufmerksam gemacht. Zwei Mitarbeiter von Hacker haben den Schirm samt Zubehör entwickelt und seit Mitte des Jahres sind die Produkte lieferbar. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei auf Qualität, eine hohe Vorbildtreue und gutmütige Flugeigenschaften gelegt, wobei die Flugleistungen nicht darunter leiden durften. Ein Konzept, viele Möglichkeiten Den Grundstein für die aktuelle Para-RC-Serie bildet der Gleitschirm Stunt 3.0. Er besitzt 3.000 Millimeter (mm) Spannweite bei 1,8 Quadratmeter Fläche und lässt sich mit unterschiedlichen Komponenten kombinieren. Als erstes wäre hier der Pilot namens Robin zu nennen, dessen beweglichen Arme den Gleitschirm später steuern. Mit ­seinem Gurtzeug wird der Schirm am Pilot befestigt, der Empfänger samt Empfängerakku kann im Rucksack untergebracht werden und schon haben wir einen Gleitschirm für den reinen Segelflug. Wer lieber mit einer sogenannten Absaufversicherung unterwegs ist, die Elektrosegler lassen grüßen, der rüstet ­seinen Segelgleitschirm mit einem Rucksackmotor aus. Dabei wird an den Rucksack ein runder Schutzkäfig montiert, der wiederum den Motor samt Regler aufnimmt und den Gleitschirm somit eigenstartfähig und sicher vor Außenlandungen macht. Wer mit dem Bodenstart lieb­äugelt und auch sonst ein optisch sehr ansprechendes Gleitschirmmodell haben möchte, der greift zusätzlich zum Scale-Trike, einem lizenzierten, originalen Nachbau des Trikes der Firma Bullix. Dabei werden derselbe Schutz­käfig und derselbe Antrieb wie beim Rucksackmotor verwendet. Mit zur Para-RC-Serie gehört auch ein spezielles Fernsteuersystem, bestehend aus einem Fünfkanalsender mit eingebautem Para-Mixer sowie einem passendem Empfänger – beides in 2,4-Gigahertz-Technik. Alle Komponenten sind untereinander kompatibel und optimal aufeinander abgestimmt. Hacker bietet unterschiedliche Komplettsets sowie auch Einzelkomponenten an, sodass spätere Erweiterungen kein Problem darstellen. Paragleiter-Basics Derzeit ist das RC-Gleitschirmfliegen noch nicht so ­verbreitet, daher erläutern wir an dieser Stelle eine Hand­voll Grundbegriffe. Ein Gleitschirm besteht aus nebeneinander angeordneten Zellen, die im Flug von vorne mit Luft gefüllt werden und so das Profil bilden. Fliegt der Schirm zu langsam, bricht der Luftdruck in der Zelle zusammen, man spricht von einem Klapper, weil der Schirm die Tendenz hat, teilweise oder ganz zusammen zu klappen. Die Folge davon ist ein rapider Höhenverlust. Am Anfang ist der Gleitschirmneuling von den vielen Leinen verwirrt, die am Schirm befestigt sind. Der Hacker Stunt 3.0 kommt mit besonders wenigen Leinen aus, das vereinfacht das Handling und minimiert den Widerstand. Schaut man seitlich auf den Schirm, sind vier Leinen­ebenen erkennbar, man spricht von der A-, B- und C-Leinen­ebene. Die vierte Leinenebene, die so genannten Steuerleinen, sind ganz hinten am Schirm angebracht. Mit diesen wird der Schirm um die Kurve gelenkt oder abgebremst. Besondere Aufmerksamkeit sollte man der Einstellung der Steuerleinen schenken. Zu kurze Leinen führen dazu, dass der Schirm ständig angebremst fliegt und gegebenenfalls zu langsam wird. Zu lange Leinen führen dazu, dass sich der Schirm schlecht oder gar nicht steuern lässt – er fliegt dann einfach geradeaus. Etwas ungewohnt ist das Startprozedere, welches etwas Übung bedarf. Dabei liegt der Schirm ausgebreitet mittig hinter dem Piloten, die Leinen verlaufen ohne Knoten und Überschneidungen zum Gurtzeug. Nun wird der Schirm mit einer zügigen und flüssigen Bewegung nach vorne über den Kopf geführt, er öffnet sich vollständig und steht mit etwas Gegenwind mittig über dem Piloten. Nur wenn der Schirm wirklich vollständig geöffnet ist, sollte ein Start erfolgen. Bricht der Schirm zu einer Seite hin aus, bewegt man sich mit dem Startarm in dieselbe Richtung, sodass der Pilot wieder mittig um dem Schirm steht. Man nennt dies „den Schirm unterlaufen“. Soweit zur Theorie. Nun schauen wir uns das Trike-Set der Para-RC-Serie etwas genauer an und bringen es anschließend in die Luft. Feines Tuch im Beutel Der Schirm ist in einem Beutel aus Gleitschirmtuch verpackt. Dieser wird auch später zum Transport und zur Lagerung genutzt. Der Stunt 3.0-Schirm ist aus sehr leichtem Tuch gefertigt und wiegt mit Leinen nur zirka 200 Gramm. Er besitzt 25 Zellen mit integrierten Druckaus­gleichs­elementen und projizierten 1,5 Quadratmeter Fläche. Die Kevlarleinen mit 0,3 mm Durchmesser sind allesamt gespleißt und nicht geknotet. Die Leinen münden in D-Ringen an den Tragegurten. Hier wurde sehr viel Wert auf gute Qualität gelegt. Der Gleitschirmpilot Robin ist zirka 320 mm groß. Seine beiden Arme sind über zwei kräftige Servos mit Metall­getriebe beweglich, die Hände sind fein detailliert und in seinem Hinterteil gibt es eine Aussparung zur Aufnahme des Empfängers. Die Beine lassen sich in Form biegen, je nach Einsatzzweck – Rucksack oder Trike-Einsatz – und für die Optik hat Robin einen schicken, schwarzen Overall an. Das Gurtzeug-Set beinhaltet das eigentliche Gurtzeug mit angenähtem Rucksack und einem gebogenen Stahlhalter, der dem Rucksack die Form gibt. Er dient als stabiles Befestigungselement für den Rucksackmotor. Bei dieser Version wird dort zusätzlich auch der Gleitschirm befestigt. Durch einen Reißverschluss kann der Rucksack zum Bei­spiel mit Ballast und dem Antriebsakku befüllt werden. Kommen wir zum Trike. Dieses ist sehr vorbildgetreu und zudem recht massiv ausgeführt. Es besteht aus Stahl­rohren, die geschweißt und pulverbeschichtet sind. Auch der Motorschutzkäfig ist in derselben Machart hergestellt. Die Detaillierung geht von einer angedeuteten Federung der Vorderachse, über ein CFK-Instrumenten­panel mit Visier bis hin zum lederbezogenen Pilotensitz und Quer­lenkern an der Hinterachse. Für den Motor wird später hinter dem Sitz der Schutzkäfig montiert. Sowohl Letzterer als auch der gesamte Antrieb werden im Trike-Betrieb und in Verbindung mit dem Rucksackmotor verwendet. So sind alle Komponenten untereinander kompatibel, was das System sehr flexibel macht. Service groß geschrieben Die anfangs ausgelieferte Anleitung war leider sehr rudimentär und kurz gehalten, sodass Gleitschirm-Neulinge damit alleine nicht zurechtgekommen sind. Doch bei Hacker hat man schnell reagiert und mittlerweile ist eine überarbeitete Version erhältlich. In seinen Videos zeigt der Hersteller zusätzlich ein paar Tipps und Tricks, die das Fliegen mit dem Gleitschirm vereinfachen und zum Ziel führen. Mittlerweilte bietet Hacker regelmäßig kostenlose „Fly Perfect Tagesschulungen“ an, bei denen Anfänger und fortgeschrittene Gleitschirmpiloten eine Menge über ihr Fluggerät lernen können. Dieser Service ist einmalig und daher besonders lobenswert. Alles in allem sind sämtliche Komponenten aus hochwertigen Werkstoffen hergestellt und hinterlassen sowohl optisch als auch haptisch einen äußerst soliden Eindruck. Vor diesem Hintergrund, und dem, dass die meisten Komponenten in aufwändiger Handarbeit erstellt und außer dem Antriebsakku keine zusätzlichen Bauteile beschafft werden müssen, sind auch die Preise für das Para-RC-System durchaus angemessen. Warum es fliegt Um den Gleitschirm samt Trike in Betrieb zu nehmen, sind nur wenige Arbeiten zu erledigen. Als erstes wird der Motor am Schutzkäfig montiert und auch gleich mit Luftschraubenmitnehmer und Luftschraube ergänzt. Dann wird die Einheit an das Trike geschraubt, der Regler mit Kabelbinder fixiert und für den Antriebsakku eine Klettschlaufe am Hauptrahmen eingezogen. Der Pilot nimmt auf seinem Pilotensitz Platz und bekommt ebenfalls eine Klettschlaufe um den Bauch. Im nächsten Schritt nehmen wir die RC-Anlage in Betrieb, um die Länge der Steuerleinen abzustimmen. Das Hacker RC-System beinhaltet einen 2,4-Gigahertz-Sender mit fünf Kanälen sowie den passenden Empfänger. Der Sender wird mit Mignonbatterien oder Akkus bestückt, der Empfänger erhält seinen Strom aus dem Antriebsakku. Die beiden Armservos am Piloten werden an den Kanälen 1 und 2 eingesteckt, der Motorregler kommt an Kanal 3. Der Sender bietet Servo-Reverse für alle Funktionen sowie einen speziellen Para-Mixer. Dieser ist notwendig, um die spezielle Steuerung eines Gleitschirms zu realisieren. Darauf gehen wir kurz ein. Im Normalflug sind beide Arme des Piloten ganz nach oben gestreckt und die Steuerleinen verlaufen ohne Zug zum Schirm. Für eine Linkskurve senkt sich der linke Arm des Piloten, der Schirm wird auf seiner linken Seite an der Hinterkante heruntergezogen, bremst ab und dreht nach links. Für eine Rechtskurve gilt dasselbe spiegelbildlich. Um den Schirm abzubremsen, zum Beispiel bei der Landung oder um ihn zu stabilisieren, werden beide Arme gleichsinnig nach unten bewegt und dadurch gebremst. Tiefenruder im Sinne wie bei einem Flächenflugmodell, gibt es beim Gleitschirm nicht. Dadurch muss der gesamte Steuerweg zur Verfügung stehen, wenn der Höhenruder­knüppel von der Mitte in eine Endstellung gebracht wird. Auch beim Steuern einer Kurve steht der gesamte Servo­weg am Seitenruderknüppel zur Verfügung. Um diese Wege zu realisieren braucht es eine spezielle Funktion. Sender der Mittelklasse realisieren dies über einen programmierbaren Mischer. Durch den speziell eingebauten Para-Mixer kommt der Hacker-Schirm mit einer recht einfachen und preisgünstigen RC-Anlage aus. Der Mischer wird am Sender über einen Schiebeschalter aktiviert und an zwei Drehpotis lassen sich die Steuerwege für Höhe und Seite einstellen. In unserem Fall haben wir für maximalen Weg beide Potis vorsichtig auf Endanschlag gedreht. Laufen die beiden Pilotenarme in die richtige Richtung und schön parallel, so sollten wir noch den Regler der Bremse aktivieren. Dies ist wichtig, um zur Landung oder im Falle eines Startabbruchs die Luftschraube schnell zum Stehen zu bringen und eine Beschädigung der Schirmleinen möglichst auszuschließen. Nun kommt der letzte Arbeitsschritt: das Einstellen der Steuerleinen. Dabei werden die Leinen provisorisch an den Händen befestigt, der Schirm aufgezogen und dann die Leinen soweit verkürzt, dass sie in Gleitflugstellung (Hände oben) noch nicht gespannt sind. Bei einer Steuereingabe sollten die Leinen den Schirm an seiner Hinterkante deutlich nach unten ziehen. Hierbei ist etwas Wind oder eine zweite Person recht hilfreich. Sind die Steuerleinen korrekt eingestellt, werden diese an den Händen endgültig fixiert und das Gleitschirm-Flugerlebnis kann beginnen. Am Platz wird selbstverständlich ein Reichweitentest durchgeführt. Durch den hohen Metallanteil am Trike sollten die beiden Antennen mit etwas Abstand und in zwei unterschiedlichen Richtungen verlegt werden. Auf zur Wies’n Ideal ist – wie so oft – eine leicht geneigte Wiese und etwas Gegenwind. Allerdings sollte der Wind nicht zu stark sein. Wir erinnern uns: ein Gleitschirm kennt kein Tiefenruder. Der Gleitschirm wird ausgelegt, die Leinen sortiert und zur Übung ein paar Mal aufgezogen und in den Wind gestellt. Gerade das Aufziehen des Schirms gelingt beim Stunt 3.0-Schirm außerordentlich einfach. Eben das Ergebnis einer intensiven Entwicklung und der Verwendung hochwertiger und damit leichter Werkstoffe. Wenn das Aufziehen gut klappt, wird das Trike mit etwas Schwung weiter nach vorne in Flugrichtung geschoben und gleichzeitig zügig der Motor eingeschaltet. Dabei ist darauf zu achten, dass das Trike nicht mit zu viel Schwung beschleunigt wird. Der Schirm muss immer noch in der Lage sein, dem Trike zu folgen. Auch routinierte Werfer müssen sich hierbei etwas umgewöhnen. Hat man alles richtig gemacht, sackt der Stunt 3.0 nur etwas durch und gewinnt mit Vollgas zügig an Höhe. Sind die Steuerleinen korrekt eingestellt, lässt er sich sehr direkt steuern. Sogar Rechtskurven mit Vollgas, die normalerweise bei Gleitschirmen wegen des Motordrehmoments immer etwas kritisch oder sehr träge zu fliegen sind, gelingen recht eng. Bald kann man die Motor­drehzahl reduzieren und sich nach ein paar Eingewöhnungs­runden am Flugbild des Gleitschirms erfreuen. Sollte sich der Schirm einmal zu sehr aufschaukeln, einfach den Motor abstellen und die Hände vom Knüppel nehmen, schon beruhigt er sich wieder. Thermik nimmt ein Gleitschirm natürlich ebenso an und das Auskreisen ist ein Genuss. Auch recht dynamisch geflogene Kurven und Steilkurven sind mit dem Stunt 3.0 machbar. Allerdings sollten diese nur in ausreichender Höhe geflogen werden, um bei einem Zusammenklappen des Schirms ausreichend Distanz zum Boden zu haben, damit sich der Schirm wieder öffnen kann. Fliegt der Gleitschirm durch Turbulenzen oder hat sich aufgeschaukelt, hilft es, kurz etwas anzubremsen und ihn so zu stabilisieren. Zur Landung fliegt man gegen den Wind an und steuert den Gleitwinkel mit dem Motor. Zwei bis drei Meter über dem Boden wird der Motor abgestellt und ab etwa einem halben Meter wird kurz voll durchgezogen, sodass der Schirm die Fahrt zügig abbaut. Dabei steigt der Schirm kurz etwas an, jetzt die Bremse kurz lösen und sofort wieder abbremsen, so gelingen butterweiche Lan­dungen. Akku wechseln und weiter geht’s.