Miles – 2-Meter-Wettbewerbsmodell in Holzbauweise

Miles – 2-Meter-Wettbewerbsmodell in Holzbauweise

Miles Davis kennen vielleicht noch die einen oder anderen. Er war von den 40er- bis über die 80er-Jahre hinaus ein begnadeter Jazztrompeter und bekannt für seine Innovationen in der Musikwelt. Was das alles nun mit einem Segler aus Holz zu tun hat? Nun, der Konstrukteur des Modells, Philip Kolb, machte den Musiker zum Namenspaten für den Soarer Miles.Beim Stöbern gehört eher zu der Gattung „weniger“. Beim Stöbern im Internet über den Miles gestolpert, war die Bestellung alles andere als einfach. Nach längerer Fahndung wurden wir in der Türkei fündig. Der Türkei? Dabei soll der Miles doch eigentlich eine deutsche Entwicklung sein. Ganz schön weiter Weg also, bei dem das Porto wohl auch utopisch hoch ausfallen wird. Die Lösung des Umstands: Philip Kolb, seines Zeichens F3J- und F3B-Urgestein, arbeitet seit gut zwei Jahren in Istanbul. Nach einer kurzen E-Mail-Korres­pondenz stellte sich heraus, dass Philip zufällig in Kürze in Deutschland sein wird und ein paar Baukästen im Gepäck hat. Inzwischen gestaltet sich der Bezug des Miles übrigens weniger abenteuerlich. Bei Weberschock Development kann der Kasten bezogen werden.

Gut Holz
Der erste Eindruck überzeugte schon mal. Ein stabiler Karton im High-Tech-Design, voller Balsabrettchen, Leisten, gerollter Baupläne und Tütchen für besonders kleine Teile. Zum Zeitpunkt der Anlieferung lagen alle Balsateile noch in ihren Rahmen, weshalb es keine freifliegenden oder ausgebrochenen Teile ohne Zuordnung gab. Die Stege, die die akkurat vorgeschnittenen Bau­­teile im Brett halten, sind sinnvoll platziert und prak­­tischerweise so dimensioniert, dass man sie mit einem scharfen Teppichmesser durchschneiden kann. Alle Bauteile sind mit dem Laser entsprechend den Angaben im Bauplan markiert und zusätzlich in einer Bauteileliste aufgeführt.

Eine Bauanleitung, so wie man das früher von Baukästen Made in Germany gewöhnt war, sucht man allerdings vergebens. Bautechnische Informationen sind nach amerikanischer Art im Bauplan integriert, allerdings auf Englisch. Na gut, man gewöhnt sich mit der Zeit daran, Tipps und Hinweise zwischen den Maßangaben auf dem Bauplan zu suchen und nicht in einem Begleitheft. Um ganz korrekt zu sein, sei erwähnt, dass es eine englische Bauanleitung im Internet unter www.fineworx.net/#/PRODUCTS/Miles/Multimedia zum Herunterladen gibt.

Wesentlich informativer ist allerdings eine exzellente Fotostrecke über den Bau eines Miles von Robglover unter www.rcgroups.com/forums/showthread.php?t=853850. Wenn auch die Kommentare auf Englisch sind, so sind doch die Fotos so präzise, dass man auch ohne große Englischkenntnisse wichtige Hinweise über die Bauabfolge erhalten kann, also unbedingt vor Baubeginn anklicken und ansehen.

Stück für Stück
Der Aufbau von Rumpf und Flächen ist konventionell mit Rippen, Spanten und Holmen. Die einzelnen Teile passen hervorragend, ein Nacharbeiten war nirgends notwendig. Für fast alle Verklebungen wurde Aliphatic Resin von der Alexander Engel KG verwendet und nur in Ausnahmen (siehe weiter unten) kam Cyanoacrylat-Klebstoff zum Einsatz. Wie Philip in einer E-Mail vorschlug, wurde nach einigen Testflügen der Übergang Rumpf-Seiten­leitwerk mit eingedicktem Harz und einer Lage aus Glasfaser-Matte besonders stabil gestaltet, da an dieser Stelle eine „normale“ Verklebung unsanfteren Landungen nicht gewachsen sei.

Der Verschluss der Kabinenhaube ist mit Mini-Magneten realisiert. Vorne eine Sperrholzzunge und hinten zwei kleine Magnete halten alles an Ort und Stelle. Die Magnete sind mit 2 x 2 Millimeter recht klein, sodass sich hier von vornherein größere Magnete empfehlen.

Neue Wege
Beim Aufbau der Tragflächen verließ der Konstrukteur den Pfad der konventionellen Bauweise. Getreu der Fotos von Robglover in www.rc-groups.com wurde zuerst die Unter­seite einer Tragfläche aus Beplankung, Aufleimer und Endleiste aufgebaut. Hierbei ist auf eine möglichst glatte und gleichmäßige Oberfläche ohne aufstehende Fasern und Kanten zu achten. Danach fanden auf dieser Unter­lage Holme und Rippen ihren Platz. Allerdings sollte man die Rippen nur bis zum Hauptholm und nicht im Bereich der unteren Beplankung verkleben.

Nachdem alles gut durchgetrocknet war, konnte das Gerüst vom Baubrett genommen und die Beplankung an der Außenseite mit etwas Wasser bestrichen werden. Das Balsaholz nimmt das Wasser auf und die Fasern auf der Außenseite quellen. Dadurch wölbt sich die Beplankung nach innen und folgt schon grob dem Profilverlauf. Um die nun gewölbte Beplankung an den Rippen zu befestigen wird die ganze Konstruktion wieder auf das Baubrett zurückgelegt und Rippen und Beplankung mit Zyano-Kleber miteinander verklebt. Bis zum endgültigen Durchtrocknen sollte alles gut eingespannt bleiben.

Die obere Beplankung erfährt die gleiche Behandlung. Eine Schale wird aus Endleiste, Aufleimer und Beplankung hergestellt, feingeschliffen und an der Außenseite leicht befeuchtet. Nach etwa fünf Minuten, wenn die Wölbung anfängt sich einzustellen, verklebt man die Platte voll­­flächig mit dem Rippengerüst. Um einen gleichmäßigen Anpressdruck zu erhalten, wurde für das jeweilige Flächen­segment ein Nagelbrett zum Aufspannen von Gummis gebastelt. Achtung, diese gespannten Gummis können einen sehr starken Druck auf das darunter liegende Balsaholz entwickeln und sollten deshalb nur direkt im Bereich von Rippen über den Flügel gespannt werden.

Hat man präzise gearbeitet, ist nach dem Trocknen der Verklebungen die Tragfläche bis auf die fehlende Nasenleiste fertig. Ein Beischleifen und dadurch eine eventuelle Änderung des Profilverlaufs ist hier unnötig, Stecknadeln zum Fixieren entfallen und durch das Vorwässern sollte es zu weniger Spannungen und damit Verzügen in der Konstruktion kommen. Eine Bauvariante, deren Aufwand sich auf alle Fälle lohnt.

Löcher bohren

Bei einem befreundeten Schreiner entdeckten wir ein etwas exotisches Gerät, das auf Nachfrage als „Driebel“ bezeichnet wurde. Aus reiner Neugier wurde ein gleichartiges Gerät zum Ausprobieren nachgebaut. Die Spannzange stammt von einem defekten Akkuschrauber, noch kleinere und feinere Spannzangen findet man im Proxxon-Zubehör. Der Handgriff entstammt einem Kirchengeländer. Klebt man nun die Spannzange in eine entsprechende Bohrung im Handgriff, ergibt sich ein Werkzeug, das fast nichts kostet, sehr kleine Bohrer sicher fasst und es ermöglicht, auch in Bereichen zu bohren, die jenseits der räumlichen Möglichkeiten normaler Akkuschrauber und Bohrmaschinen liegen. „Bohren“ ist in diesem Falle nicht ganz richtig. Der Bohrer wird mit einer Vierteldrehung unter mäßigem Druck ins Material getrieben und hat mit Holz aller Art so gut wie keine Schwierigkeiten. Buntmetalle sind allerdings kaum zu bearbeiten, doch GFK geht wieder ganz gut. Beim Miles kam der Driebel beim Bohren der hölzernen Ruderhörner zum Einsatz. Die eine Hand hält das Werkstück, während mit der anderen in urväterlicher Weise gedreht – gedriebelt wird. Das funktioniert bei einem scharfen Bohrer erstaunlich gut.

Schleifen

Zum Ausformen und Beschleifen von Rumpfnase und Flügelenden kam eine kleine Bandschleifmaschine von Böhler zum Einsatz. Sie erspart einem eine Menge Arbeit, wenn es darum geht, Formen aus Balsaholz herauszuarbeiten. Da die Schleifmaschine schon an Spannungen von 12 Volt betrieben werden kann, ergibt sich hier ein neues Einsatzgebiet für An­­triebsakkus. Der Antriebsmotor ist durch starkes Andrücken an das Werkstück zum Stillstand zu bringen – etwas anderes als Balsaholz kann also nicht vernünftig bearbeitet werden. Da aber verschiedene Bänder in unterschiedlicher Körnung erhältlich sind, gelingen die Balsaholzoberflächen tadellos und man spart viel Zeit und Mühe.

Die im Bild gezeigten „Spock“-Ohren sind eigentlich nicht im Bauplan vorgesehen, da aber genügend Material zur Verfügung stand und sie einfach rattenscharf aussehen, wurde mit Hilfe des oben erwähnten Bandschleifers kurzerhand ein neues Flächenende designt. Ob sich dadurch aerodynamische Vorteile ergeben, sei mal dahingestellt; schließlich zählt auch die Optik.

Am Ende der Bauphase und nachdem Flächen und Leit­­werk mit OraCoverLight bespannt und der Rumpf mit Klarlack lackiert waren, wog der fertige Miles 844 Gramm. Um den im Bauplan eingezeichneten Schwer­­punkt einzustellen, reichten neben vier Mignonzellen mit 1.700 Milliampere­stunden Kapazität lediglich 22 Gramm Blei aus. Zum Ein­­satz kamen die quasi historischen 341er-Servos von Graupner. Hier wäre sicher auch noch das eine oder andere Gramm einzusparen gewesen, aber im Großen und Ganzen ist die Gewichtsbilanz zufriedenstellend.

Fliegen
Vor dem Erstflug wurden die Seitenruderausschläge so groß wie möglich, und die Höhenruderausschläge auf jeweils 10 Millimeter nach oben und unten eingestellt. Nach den obligatorischen Reichweiten- und Ruder-Checks, konnte der Miles ohne größere Zeremonie seinem Element übergeben werden und verblieb dort die ersten 45 Minuten.

Trimmen war nicht notwendig und der Schwerpunkt stimmte auf Anhieb. Was will man mehr von einem Jungfernflug? Der Miles fliegt einfach klasse. Thermikauskreisen geht mit Seiten- und Höhenruder wie auf einem Teller. Die Kurven­lage ist absolut stabil, egal wie eng man im Bart kreist. Wird man zu langsam, neigt der Miles bedächtig seine Nase etwas nach unten und holt lässig wieder Fahrt auf, kein kritisches Ausbrechen oder dergleichen. Es war nicht möglich, den Miles zum Trudeln zu bringen. Zwingt man ihn im Strömungsabriss mit vollgezogenem Höhen- und Seiten­ruder in eine Kurve, ergibt sich eine Art „geschraubter“ Sturzflug, der jederzeit durch Neutralstellen der Ruder und gefühlvolles Abfangen wieder beendet werden kann.

Nun gut, Abstiege aus größerer Höhe sollten also mit der Klappe eingeleitet werden, doch Vorsicht! Die Wirkung dieser zentralen Bremsklappe ist brachial! Entgegen allen Empfehlungen wurde die Klappenwirkung das erste Mal im Landeanflug ausprobiert, was senkrecht in einem Maulwurfshügel steckend endete. Inzwischen hat sich eine Zumischung von 5 Millimeter Höhenruder bewährt beziehungsweise die Klappen werden nur vorsichtig eingesetzt. Meist reichen schon 50 Prozent, um einen steilen Landeanflug mit nachfolgender Landung im Schritttempo einzuleiten.

Zugegeben, keine Querruder zur Verfügung zu haben erforderte anfangs etwas Eingewöhnung, aber man braucht wirklich keine. Das große Seitenruder wirkt in Verbindung mit der mehrfachen V-Form vorzüglich. Das Verhalten des „Miles“ am Hochstartseil ist tadellos. Bei einem sauberen Start sind bis zum Ausklinken keine Korrekturen notwendig. Nein, wir haben ihn nicht mit einer F3J-Winde hochgeschossen, sondern mit 30 Meter Gummiseil und 50 Meter Leine, das ergab hinreichend Höhe, um auf Thermiksuche zu gehen.

Kunstflug wurde ebenfalls ausprobiert, hört jedoch bei Loopings oder einem Turn schon auf. Ein Flattern der Flächen trat auch bei den wildesten Flugmanövern nicht auf. Auch bei einem ungebremsten Abstieg und entsprechenden großen Ge­­­­­­schwindigkeiten zeigten sich keine Schwächen in der Struktur. So kann auch selbst nach einem langen und thermik­reichen Flugtag bedenkenlos und zügig abgestiegen werden, ohne sich Sorgen um den inzwischen ins Herz geschlossenen Miles machen zu müssen.

Bilanz
Der Miles von Philip Kolb ist ein ausgereiftes und exakt gefertigtes Modell. Beim Zusammenbau und am fertigen Modell erkennt man die Handschrift des erfahrenen Wettkampfpiloten und Konstrukteurs, der es versteht Design und Leistung gekonnt in einem Modell zu vereinen. Das Ergebnis ist ein Modell mit einem klassischen Aufbau, einer zeitgemäßen Aerodynamik und einem verblüffenden Leistungsspektrum.

Der Miles richtet sich in Bezug auf die Flugeigenschaften gerade an noch nicht so erfahrenen RC-Piloten, die mit dem Miles ein einfach zu steuerndes, aber sehr leistungsfähiges Modell erhalten. Beim Bau sollte dem Anfänger wegen der fehlenden beziehungsweise englischen Anleitung und der ausschließlich englischen Hinweise auf dem Bauplan doch ein erfahrener Modellbauer zur Seite stehen. Das fertige Modell kann im Wettbewerb durchaus mit aktuellen, industriell gefertigten Modellen mithalten, und das ist dann doch ein schöner Lohn für die Stunden an der Werkbank.