Midget Mustang – Racer von Pichler

Der Anruf aus der Redaktion kam überraschend, mitten im Urlaub, beim Waldspaziergang. Zum Testen stand ein schnittiges Ein-Meter-Modell für Elektroantrieb aus dem Golden Age, ein Racer, zur Verfügung. Da die Mobilfunkverbindung während des Gesprächs miserabel war, kam nur irgendwas mit „Mustang“ und „dieses Modell ist ein Erlkönig“ an. Nun, spätestens bei dem Gedanken, einen Erlkönig testen zu dürfen, war die Entscheidung gefallen. Mit großer Spannung wurde in den kommenden Tagen das Paket erwartet – in der Annahme, dass es sich um den Nachbau einer Racer-P-51 Mustang handeln würde. Zur Überraschung sah das Modell aber nach allem anderem aus, nur nicht nach einer P-51 Mustang. Kurz gesagt: auf dem Werktisch breiteten sich Teile einer Midget Mustang aus, deren Herkunft erst einmal gegoogelt werden musste. Geschichtsträchtig Interessanterweise gab beziehungsweise gibt es die Midget Mustang wirklich. Die Entstehungsgeschichte reicht zurück in die früheren Jahre der Fliegerei: der letzte große Weltkrieg war gerade vorbei. Die heimgekehrten amerikanischen Soldaten waren im Laufe der vielen Kriegsjahre im Umgang mit der Maschinerie an stark motorisiertes, schnelles Gerät und auch an die ständigen damit verbundenen Gefahren gewöhnt und nahmen diesen Lebensstil mit nach Hause. Es kam die Zeit der Hot Rods, der Custom Bikes, Powerboote und auch der Lust, sich in Rennen damit zu messen – auch in Air Races. Die Midget Mustang wurde 1948 mitten in diese Zeit hineingeboren. Piper-Chefingenieur David Long hat sie als Homebuilt-Sportflugzeug entwickelt, jedoch nicht mit der Absicht, einen Racer zu bauen. Dennoch passte das Design in das damalige Formula One Air Racing Reglement und so wurden mit diesem Flugzeug auch Rennen geflogen. Das Original ist übrigens bis heute als Bausatz käuflich und dem nahezu unveränderten Design werden gutes Flughandling und Fighter-ähnliche Leistungen attestiert. Man hat es hier also mit einem Nachbau zu tun und es wird spannend, ob der Hersteller die guten Eigenschaften ins Modell übertragen konnte. ARF-Fertigmenü Beim vorliegenden ARF-Bausatz handelt es sich um eine Balsa-Sperrholzkonstruktion, die mit einer faltenfreien Bügelfolie überzogen ist. Die zwei teilbeplankten Tragflächenhälften sind sehr sauber gebaut und wunderbar schnurgerade. An den Trag­flächen­enden findet sich auch gleich das erste i-Tüpfelchen: ein sauberer, aerodynamisch ausgeführter Randbogen. Die Flächen sind recht stabil aufgebaut, was sich zum einen im Gewicht und zum anderen positiv in der Druckfestigkeit der Beplankung widerspiegelt. Ein mit zwölf Prozent nicht zu dickes, vollsym­metrisches Profil lässt auf eine flottere Gangart schließen, so wie es auch von diesem Modell erwartet werden kann. Zur Vervollständigung jeder Tragflächenhälfte ist je ein Servo mit einem 200 Millimeter (mm) langem Verlängerungskabel notwendig. Das Servo wird an einen bereits vorgefertigten Sperrholzdeckel geschraubt und dieser später wiederum an die Unterseite der Tragfläche. Die Auswahl der Servos begrenzt sich dabei lediglich auf Kandidaten, die eine Länge von maximal 24 mm haben, damit sie möglichst saugend in die vorgefertigten Servohalterungen passen. Die Aussparung für den Servohebel ist herstellerseitig auch schon vorgesehen und muss nur noch von der Folie freigelegt werden. Sehr hilfreich ist die in jeder Fläche eingelegte Zugleine: hiermit lassen sich prima die Verlängerungskabel durch die vielen Rippen fädeln. Das Querruder wird mit zwei Vliesscharnieren und etwas Sekundenkleber angeschlagen. Abschließend werden die beiliegenden Ruderhörner mitsamt Gestänge montiert und die Querruder-Anlenkungen sind fertiggestellt. Was jetzt noch fehlt, sind die Fahr­­werks­beine. Diese liegen komplett fertig montiert mit sauber ­lackierten Fahrwerksverkleidungen bei. In der Fläche sind – unter der Folie versteckt – entsprechende Schlitze, die ­kurzerhand nach Ertasten der Position mit einem scharfen Messer freigelegt werden. Der Fahrwerksdraht wird ein­gesteckt und mit einer Lasche und zwei Schräubchen an Ort und Stelle fixiert. Abschließend werden die Flächenhälften probehalber mit dem stabilen 12-mm-Alurohrverbinder am Rumpf befestigt. Hier zeigt sich leider ein Übermaß des Verbinders, der kurzerhand mit einer geeigneten Säge um 7 mm gekürzt wird. Beim Serienmodell ist das laut Hersteller bereits berücksichtigt. Details Der Rumpf ist mit den beiliegenden Leitwerken zu vervollständigen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Leitwerke nicht nur aus einer einfachen ebenen Platte bestehen, ­sondern sauber in Rippenbauweise vollsymmetrisch auf­gebaut wurden. Aerodynamisch ist das in dieser Modell­größe und mit dem zu erwartenden Geschwindigkeits­be­­reich sicherlich nicht zwingend notwendig, aber auf jeden Fall ein Schmankerl und es unterstreicht definitiv den ­hochwertigen Charakter des Modells. Begonnen wird mit dem Höhenleitwerk. Zuerst sauber ausrichten und symmetrisch ausmessen, anschließend die Position an der Folie anzeichnen und die Folie in diesem Bereich vorsichtig entfernen. Eine sichere Methode ist, statt eines Cuttermessers einen Lötkolben zu verwenden. Mit dem Seitenleitwerk wird genauso verfahren: Auf das Höhenleitwerk aufsetzen, sauber ausrichten, die Position mit einem wasserlöslichen Stift markieren, Folie runter, einkleben, fertig. Ebenfalls nicht alltäglich für diese Modellgröße sind die zweigeteilten Höhenruderflächen. Diese werden mit je zwei Vliesscharnieren an den Dämpfungsflächen befestigt beziehungsweise wiederum mit Sekundenkleber gesichert. Auf die gleiche Weise wird mit der Seitenruderfläche verfahren. Allerdings muss rumpfseitig ein Schlitz für das dritte, untere Scharnier eingebracht werden. Mit einem scharfen Messer ist dies aber keine größere Aktion, nur sollte hier Sorgfalt walten. Der Schlitz sollte unbedingt zu den bereits vorhandenen Schlitzen fluchten, sodass sich ein leichtgängiges Ruder ergibt. Abschließend werden die Ruderflächen noch mit den beiliegenden Ruderhörnern ausgerüstet, und damit ist auch dieses Kapitel erledigt. Letzte Schritte Zu diesem Zeitpunkt versprüht das handliche Modell bereits einen ersten Hauch von Racing-Dynamik und macht überhaupt schon richtig was her. Doch bevor es in die Luft geht, ist die Zeit zum RC-Einbau gekommen. Im Rumpf sind bereits Aussparungen für zwei Servos vorgesehen. Aufgrund des recht kurzen Leitwerksarms ist es unbedingt empfehlenswert, höherwertigen Servos mit entsprechender Spielfreiheit und Stellgenauigkeit den Vorzug zu geben. Auch der Rest der Anlenkungsmimik muss gerade beim Höhenruder stellgenau und spielfrei ar­beiten. Das zeigte sich später noch recht deutlich. Zurück zur Servoauswahl. Aufgrund der vorhandenen Aussparungen bieten sich hier Kandidaten mit Ab­­messungen von maximal 30,5 × 14 mm an. Nach dem Verschrauben der Servos sind diese nur noch mittels der beiliegenden Gestänge mit den Ruderflächen zu verbinden. Die Gestänge werden dazu an allen Enden mit beiliegenden Gabelköpfen versehen und diese mit ebenfalls beiliegenden Muttern gegen Verdrehen gesichert – eine Spitzzange leistet hier wertvolle Hilfe. Entsprechend der Erfordernisse durch ein zweigeteiltes Höhenruder, ist das Gestänge bereits als Gabel aufgeteilt. Die zwei zu den Höhenruderflächen gehenden Drähte werden über einen Verbinder am zum Höhen­ruderservo gehenden Draht angeschlossen. Die Achilles­ferse ist das Einstellen der Gestängelänge, denn der Verbinder liegt zu tief im Rumpf, als dass man in dem schmalen Rumpf mit einem Imbus­­­schlüssel daran käme. Hier helfen etwas Geduld und ein Edding zum Markieren der Gestängepositionen. Der für den Test beiliegende Motor vom Typ Boost 25 wird auf dem beiliegenden Motorträger befestigt – an dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass der ­beiliegende Kleinteilesatz sehr umfangreich ist. Hier f­inden sich selbst die für die Motormontage notwen­digen Einschlagmuttern und Schrauben. Erste Erkenntnisse Zu Beginn des Tests lagen dem Autor nur wenige Information vor: Die Angabe des Schwerpunkts und ein paar allgemeine Daten, jedoch keine Bauanleitung. Von daher sollte vor dem Verkleben des Motorträgers der Schwerpunkt mit den vorgesehenen Komponenten überprüft werden. Während der Schwerpunktüberprüfung stellte sich ­allerdings heraus, dass der Motorträger für den zunächst ausgewählten Motor zu kurz ist. Die Haube wurde zwar auf Anschlag an die Tragflächen geschoben, verdeckte aber immer noch den Luftschraubenmitnehmer. Also wurde kurzerhand ein 22 mm längerer Träger mit gleichem Sturz und Zug erstellt. Mit dieser Ausführung wanderte der Motor so weit nach vorne, dass der Propeller mit wenig Überstand zur Motorhaube festgemacht werden konnte. Dennoch reichte das anschließende Hin- und Herschieben der verbleibenden Komponenten nicht aus, den Schwerpunkt einzustellen. Daher kamen 55 Gramm Blei unter die Motorhaube. Der abschließende Gang zur Waage schafft Fakten: 1.390 Gramm wiegt die komplett ausgerüstete Mustang, somit stellt sich eine Flächenbelastung von rund 69 Gramm pro Quadratdezimeter ein. Kein Leichtgewicht, sondern sportlich, wie man es von einem Racer erwarten kann. Starallüren Dieses Modell kann man zu Recht als kofferraumfreundlich bezeichnen. Sollte selbst hier kein ausreichender Platz vorhanden sein, können die Tragflächen mit wenig Aufwand komplett demontiert werden. Dementsprechend einfach und schnell gestaltet sich das Aufrüsten am Flugplatz: Sender einschalten, Akku rein und das Modell „scharf“ ge­­macht, den Rumpf mit dem Deckel verschließen und los geht’s. Zur Eingewöhnung werden erste Rollversuche unternommen und hier zeigt sich auch prompt, dass der Leitwerksarm wirk­lich kurz ist. Die Mustang lässt sich auf engstem Raum manövrieren und spricht auf kleinste Seitenruder­befehle an. Außerdem lässt die Mustang ein wenig „Wildfpferd-Manieren“ raus. Sie hat aus dem Stand heraus eine deutliche Neigung zum Kopfstand, doch mit kurzen, aber heftigen Gasstößen lässt sie sich dann doch zum Rollen bewegen. Noch einmal die letzten Checks: Ruder laufen richtig herum, Schwerpunkt passt, dann mal ab damit. Der anschließende Dauerdelfinflug brachte nur wenige Erkenntnisse zu den Flugeigenschaften. Immer wieder musste mit dem Höhenruder entweder mit Höhe oder Tiefe gestützt werden. Wie sich nach dem Landen herausstellte, war die Neutralposition nach Betätigung von voll Höhe zu voll Tiefe nicht identisch. Eine Differenz von vier Millimeter sorgte für den unruhigen Flug. Zur Lösung des Problems wurde einfach das schwergängige und raue 1,8 mm dicke Höhenrudergestänge gegen 1,5-mm-Stahldrähte getauscht. Siehe da, jetzt stellte sich die notwendige Genauigkeit ein. Wellnessfliegen So umgerüstet, war die Mustang nicht wiederzuerkennen. Sie flog ganz anders, als man es von einem „Wildpferd“ erwarten würde. Nachdem in den ersten Flügen die Ruderausschläge von Höhe und Quer sukzessive zurückgenommen wurden, stellte sich nun ein angenehmes, lammfrommes Fliegen ein. Der Strömungsabriss kommt sehr spät und macht sich durch eine schwammige Ruderwirkung rechtzeitig bemerkbar. Abkippen will die Mustang dann über die rechte Fläche, aber auch nur, wenn man sie lässt. Im Rückenflug muss ein wenig Tiefe gedrückt werden. Einfacher Kunstflug ist machbar, entspricht aber sicherlich nicht dem Flugstil des Originals. Sehr erfreulich ist auch der Geschwindigkeitsbereich. Die Grundgeschwindigkeit ist erstaunlich niedrig, fast schon parkflyermäßig. Wenn man die Zügel loslässt, kommt Freude auf. Will man es mal richtig wissen, erst Höhe gewinnen, dann Anstechen und in einem Rauschen tief vorbei fliegen. So machen sich ein angenehmes Wohlfühl-Feeling im Bauch und ein sattes Grinsen im Gesicht breit. Unter Volllast, so verrät das UniLog von SM-Modellbau, fließen dabei maximal 34 Ampere durch den Motor. Zahlen, Daten, Fakten Nach rund sechs Minuten will die Mustang gelandet werden und da wird’s nochmal interessant. Solange Wind vorhanden ist, lässt sich die Mustang wunderbar landen, da die Landestrecke erfreulich kurz ausfällt – gleiches gilt auch für den Startvorgang. Landet man jedoch bei Windstille, scheint die Mustang nicht runterkommen zu wollen, und je nach Beschaffenheit der Landebahn ist eine deutliche Neigung zum Kopfstand zu erkennen. Ein mitgeführter Ersatz-Propeller kann an solchen Tagen schon einmal die verfrühte Heimfahrt ersparen. Die erflogenen Ruderausschläge haben sich bewährt und münden letztendlich in einen angenehm weichen Flugstil. Und wenn man möchte, auch in zackige Fluglage­ände­rungen, ohne das Modell dabei in unkontrollierte Flugzustände zu bringen. Die Ausschläge fürs Höhenruder betragen ±8 mm, beim Querruder ±10 mm und beim Seitenruder ±25 mm; immer an der tiefsten Stelle der Ruderflächen gemessen. Ein wenig Expo sollte ebenfalls programmiert werden. Während der Startphase wird der Höhenruderausschlag über Dualrate auf ±13 mm vergrößert. Die verwendeten robbe-Servos setzen Steuerbefehle sehr präzise um und haben sich daher bestens bewährt. Bilanz Pichler Modellbau ist es gelungen, sowohl die markante Optik als auch die dem Original nachgesagten guten Flugeigenschaften auf das Modell zu übertragen. Darüber hinaus wurde die Mustang mit einem ansprechenden Farbschema versehen. Ob der Motorträger anzupassen ist, hängt vom verwendeten Brushlessmotor ab. Beim Höhenruder sollte man auf Leichtgängigkeit achten. Insgesamt bietet das Modell viel Fluggenuss und ist immer wieder gerne mit dabei. Für einen Erlkönig ist das Modell bereits ausgereift und benötigt nur wenig Feinschliff, den der Hersteller nach Rücksprache schon für die Serienmodelle vorgenommen hat.