Hoch das Bein

Ganz unbestritten sieht ein vorbildähnliches Modellflugzeug mit eingezogenem Fahrwerk in der Luft besser aus. In den meisten Fällen kommt es sogar den FLUGLEISTUNGEN ZUGUTE, wenn das Fahrwerk nach dem Start im Inneren verschwindet. Denn gerade spindeldürre Fahrwerksbeine können einen erheblichen Luftwiderstand erzeugen. Das merkten bereits die Flugzeugpioniere des „Golden Age“ in den 1930er Jahren, als man begann, die Fahrwerke aerodynamisch zu überarbeiten, indem man ihnen zum Teil voluminöse Verkleidungen spendierte. Das verbesserte in vielen Fällen die Optik, auch wenn die Maßnahmen aerodynamisch nicht immer erfolgreich waren. Doch das Einziehen der Räder – man sprach noch von „Verschwindfahrwerk“ – erschien damals noch zu aufwändig. Hierin lag lange Zeit auch das Problem beim Elektromodellflug. Denn bekanntlich verringern sich mit den Abmessungen der Bauteile nicht automatisch die Herausforderungen. Und neben dem Mehraufwand bedeutet eine zusätzliche Einziehmechanik ja stets erst mal Mehrgewicht. Das heißt, es ist mehr Auftrieb erforderlich. Damit muss entweder schneller oder mit mehr Anstellwinkel geflogen werden. Beides braucht mehr Motorleistung Ein weiteres Thema ist die Frage der Zuverlässigkeit. Nichts ist unangenehmer – und blamabler – als ein Fahrwerk, das beim Landen nicht vollständig ausfährt oder beim Aufsetzen einknickt. Schlimmer noch, wenn ein unbemerkter Defekt an der Einziehmechanik die dort eingesetzte Elektrik involviert, das hilflos klemmende Fahrwerksservo Blockierstrom verursacht und so die Energiesicherheit des Empfängerkreises heimlich untergräbt. Abhilfe schafft hier eine vom Rest der Steuerung abgekoppelte Stromversorgung mittels separaten Akku oder das Ausweichen auf andere Energieformen wie etwa Druckluft – Stichwort pneumatisches Einziehfahrwerk. Alles Dinge, die zusätzlichen Aufwand erfordern und kaum Aussicht haben, auch noch bei den Weight Watchers zu punkten. Dabei könnte alles so einfach sein: Man nimmt den Strom aus jenem meist ohnehin überdimensionierten Speicher namens Empfängerbatterie; in jüngster Zeit ja immer häufiger ersetzt durch ein nicht weniger ergiebiges BEC-System. Entsprechende Schutzmaßnahmen, von denen im Einzelnen noch die Rede sein wird, müssen allerdings sicher dafür sorgen, dass im Fall des Falles die „Notvorräte“ der Empfangsanlage unangetastet bleiben. Technisch gesehen ist das heute eigentlich kein Problem mehr. Durch die Miniaturisierung der Elektronik ist es dann sogar möglich, ein „All Inclusive“-System in das Fahrwerksgehäuse zu integrieren, sodass wirklich nur noch ein dreiadriges Kabel zum Empfänger führt. Doch um die richtigen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen zu können, sollten wir uns erst mal über die Knackpunkte der gängigen Einziehfahrwerks-Konstruktionen unterhalten. Sicherheitskriterien So besteht die Grundaufgabe der Einziehmechanik schlicht darin, das Fahrwerksbein beim Ein- oder Ausfahren um einen Winkel von etwa 90 Grad zu schwenken – üblicherweise liegen die Drehwinkel zwischen 85 und 100 Grad. Dabei muss die Schwenkmechanik am besten in beiden Endstellungen durch eine geeignete Verriegelung entlastet werden. In erster Linie sind die in ihrer Stärke wenig kalkulierbaren Landestöße von den Einzugsmechanismen fernzuhalten. Dazu bediente man sich schon früh in der Geschichte des Flugzeugbaus des Kniehebels. Einer Konstruktion, bei der das durchgedrückte beziehungsweise leicht überdrückte Knie diese Entlastungsfunktion wahrnahm; vergleiche dazu Zeichnung 1. Ziel realer Fahrwerkskonstruktionen ist es natürlich, auch die zum Fahrwerksservo führende Mechanik so zu gestalten, dass das beschriebene Kniehebel-Prinzip in beiden Endstellungen zur Wirkung kommt. Eine solche Kniehebelkonstruktion braucht allerdings immer zwei auseinander liegende Ankerpunkte am Chassis und muss deshalb schon von Anfang an bei der Konstruktion des Flugzeugs mit eingeplant werden. Mit aus diesem Grund greift man beim Modellflug meist auf Lösungen zurück, die auf nur einer stabilen Grundplatte montiert sind. Sie stellen heute sehr kompakte, mit Anschraubwinkeln versehene Gebilde dar, die mit vier Schrauben an einer belastbaren Stelle der Rumpf- beziehungsweise Flächenunterseite befestigt werden. Um den Fahrwerksantrieb zu entlasten, werden die Federbeine durch eine geeignete Krafteinleitung in beiden Extrempositionen formschlüssig verriegelt. Dies wird, wie in Zeichnung 2 erkennbar, mithilfe einer Kulissensteuerung erreicht. Das Schwenken des Fahrwerksbeins wird dabei über eine drehbare Steuerscheibe bewerkstelligt, die quasi die lineare Bewegung eines Servogestänges so in eine Drehung umsetzt, dass an den Endpunkten eine Verriegelung des Fahrwerksbeins stattfindet. Daher geht in jeder dieser Endstellungen die Steuerkurve in eine gerade Fläche über. Die Winkelstellung beider Endflächen zueinander bestimmt dabei den Schwenkwinkel des Fahrwerks. Hat der Mitnehmerzapfen eine dieser Endflächen erreicht, wirkt keine Kraft mehr auf das Betätigungsgestänge. Die Kraft wird einseitig über den Führungsschlitz beziehungsweise eine der Anschlagflächen in die Gehäusewände eingeleitet und dort hoffentlich verformungsfrei aufgenommen. Technische Ansprüche Neben Alu als Basismaterial kommen bei der Gehäuseherstellung heute vermehrt auch Kunststoffe mit großem Faseranteil zur Verwendung, die eine sehr hohe Zähigkeit aufweisen. In jedem Fall lässt sich sagen, dass sich das hier beschriebene Prinzip bewährt hat und auch im Wesentlichen nicht weiter zu vereinfachen ist. Allerdings sind noch ein paar Randbedingungen zu beachten: Da sich der Mitnehmer linear, die Steuerscheibe jedoch um einen Drehpunkt bewegt, hat man es bei dem Schwenkvorgang mit sich ständig ändernden Hebelverhältnissen zu tun. Betrachtet man die Kraftübertragung auf das Fahrwerksbein, so liegt der Worst Case genau in der Mitte, also dort, wo der Mitnehmer mit dem kleinsten Hebel angreift. Dies erklärt, weshalb hier eingesetzte Servos einiges an Kraft brauchen. Leider bietet der Modellbaumarkt bis heute nur wenige Servos speziell für derartige Anwendungen an, die ja eigentlich nur höher untersetzt sein müssten, um daraus die nötige Kraft zu gewinnen und quasi im Nebeneffekt dann auch noch vorbildähnliche Betätigungsgeschwindigkeiten zu bewirken. Erhältlich sind indes bistabil arbeitende Servos mit vergrößertem Drehwinkel von 135 bis 180 Grad. Diese beiden Endpunkte verdienen besondere Beachtung. Der Mitnehmerzapfen muss hier sicher in den Bereich der Verriegelung vorrücken, ohne jedoch an den Endpunkten anzustoßen, weil das Servo sonst Blockierstrom zieht. Dies erfordert gerade bei kompakten Fahrwerkskonstrukten mit geringer Wegreserve oftmals eine fummelige Einstellprozedur. Es dürfte hier auch einer der Gründe sein, weshalb bei anspruchsvollen Anwendungen das pneumatisch betätigte Fahrwerk immer noch dominiert. Gut auch, wenn ein und derselbe Fahrwerkstyp mit von 90 Grad abweichenden Schwenkwinkeln lieferbar ist. So wird die 85-Grad-Variante gerne bei Tiefdeckern mit ausgeprägter V-Flügel-Form verbaut. Damit stehen die ausgefahrenen Beine nicht mehr so X-förmig in der Landschaft. 100 Grad Einziehwinkel werden dagegen bei nach hinten einfahrenden „Gebeinen“ bevorzugt, damit das ausgefahrene Teil leicht nach vorne kommt. Pflichtenheft Im Grunde funktionieren die neuen elektrischen Einziehfahrwerke alle auf der in Zeichnung 2 gezeigten Basis, wobei nun der Antrieb quasi ins System integriert ist. So ist man die ganzen Probleme mit der Einstellung los und braucht weder ein steuerndes Servo noch irgendwelche Gestänge unterbringen. Moderne elektrische Einziehfahrwerke hängen direkt mit einem dreiadrigen Kabel an einem Empfängerausgang. Dass es dann wirklich immer funktioniert, dafür muss der Konstrukteur allerdings vorgesorgt haben. Die Anforderungen oder möglichen Probleme seien hier nochmals zusammengefasst:
  • Mechanik und Elektrik sollten leicht und dennoch kräftig genug sein, um ein Fahrwerksbein entsprechender Größe immer zuverlässig von Anschlag zu Anschlag zu bewegen.
  • Die Einbaumaße der Fahrwerksmechanik – primär die Einbauhöhe – wünscht man sich so kompakt wie möglich, um einen problem­losen Einbau auch in Flügel geringer Dicke zu ermöglichen.
  • Der Stromverbrauch des Fahrwerksmotors darf den Empfängerstromkreis dabei nicht unzulässig hoch belasten.
  • Beim Erreichen der Endpunkte, wie auch im Fall einer Störung (Fahrwerksblockierung) sollten die Motoren zeitnah und zuverlässig abgeschaltet werden.
  • Ist die Bewegung in eine Richtung aus irgendeinem Grund blockiert, sollte eine Richtungsumkehr trotzdem möglich sein, zum Beispiel das Wieder-Ausfahren des Rads.
Es ist sicher kein Zufall, dass alle modernen Lösungsvarianten derzeit auf einem Spindelantrieb basieren. Er wandelt die Rotation des Motors beziehungsweise der Getriebewelle in eine Linearbewegung um und stellt von sich aus auch schon eine hohe Untersetzung dar. So ist zu erwarten, dass selbst bei kleinen Motoren hinreichend viel Kraft zur Verfügung steht. Darüber hinaus wird im Allgemeinen eher eine geringe Laufgeschwindigkeit gewünscht, weil das realistischer wirkt. Im Übrigen verfügt ein Spindelantrieb auch über eine Selbsthemmung – Kraftübertragung nur in Vorwärtsrichtung – was jedoch nicht ausschließlich Vorteile bietet. Daher sind einfache Schraubgewinde problematisch, weil sie klemmen könnten. Dies entspricht einem Festziehen der Schraube. Zudem produziert so eine Schnecke deutlich mehr Reibung als ein entsprechend untersetzter Zahnradtrieb. Gleichwohl lassen sich die beiden erstgenannten Forderungen mit einem Schneckenantrieb schon weitgehend erfüllen. Für eine sichere Endabschaltung bieten sich natürlich erst mal mechanische oder sensorische Positionsschalter an. Diese versagen jedoch, wenn der Antrieb aufgrund einer Störung vor Erreichen der kompletten Ein- oder Ausfahrposition angehalten wird. Der blockierte Gleichstrommotor wird nun den höchstmöglichen Strom (Blockierstrom) ziehen, mit der Folge, dass entweder der Motor selbst nach einiger Zeit durch Überhitzung schlapp macht oder, bei entsprechenden Nehmerqualitäten, zu große Strommengen dem Empfängerkreis entzogen werden. Letzteres ist sicher gefährlicher, kann doch der Empfängerakku damit vorzeitig leer oder aber das BEC überlastet werden. Abhilfe schafft hier im einfachsten Fall eine Zeitsteuerung. Der Strom wird damit nach einer vorgegeben Zeitdauer, die sicher ausreicht, um das Fahrwerk von einer Endstellung in die andere zu bewegen, abgeschaltet. Damit ist auch die mögliche Blockierstromaufnahme zeitlich limitiert. Man nimmt dabei in Kauf, dass jetzt immer nach Erreichen der Endposition kurzzeitig der volle Strom auftritt. Ein erneutes Einschalten ist nur mit umgekehrter Laufrichtung möglich. Deutlich verfeinert ist eine kombinierte Strom-/Zeitsteuerung, die man auch als eine Stromsteuerung mit Verzögerungseffekt bezeichnen kann. Dabei wird der Motorstrom des Spindeltriebs gemessen. Erkennt die Auswerteelektronik Blockierstrom, so wird nach kurzer Verzögerungszeit, die sicherstellen soll, dass es sich nicht nur um den Anlaufstrom oder eine nur kurze Laufstörung handelt, der Motorlauf gestoppt. Auch hier ist ein erneutes Einschalten nur mit umgekehrter Laufrichtung möglich. Diese elektronische Auswertung stellt sich als weit zuverlässiger heraus, als wenn nur mechanische Endschalter die Aufgabe übernehmen, denn sie erfasst eben auch alle Fälle von ungeplanten Bewegungsstörungen im Fahrwerksbereich. Im Folgenden soll gezeigt werden, wie bei verschiedenen, derzeit handelsüblichen Lösungen diese Probleme gelöst wurden. Lesen Sie den gesamten Artikel in der Ausgabe 01/2011 vom Elektroflug-Magazin. »Jetzt bestellen!