Extra 300 SHP – Kunstflug mit Graupner

Extra 300 SHP – Kunstflug mit Graupner

Seit 2004 fliegt der amerikanische Kunstflug­pilot Michael George Goulian beim Red Bull Air Race mit. Nach seiner Edge 540 stieg er auf eine Extra 300 SHP um, die dieses Jahr durch die SC-Version abgelöst wird. Bereits die SHP ist bedeutend leichter gebaut und stärker motorisiert als eine gewöhnliche Extra 300 S. Graupner hat sie als ARF-Modell mit 1.800 Millimeter Spannweite im Programm, aber auch eine Indoor-Variante aus Depron, um die es im Folgenden geht. Sie spannt an der Tragfläche 900 Millimeter und zieht schon mit ihrem vorbildähnlichen Design die Blicke auf sich.In dem stabilen Karton befinden sich neben der An­lei­tung lediglich zwei Beutel mit Kleinteilen und mehrere Bögen, aus denen die vorgeschnittenen und fertig bedruckten Depron-Bauteile einfach herausgedrückt werden können. Die Lackierung ist mehrfarbig und perfekt angebracht. Sie ist allerdings beim Zusammenbau vor dem Kleben an den entsprechenden Stellen vorsichtig zu entfernen. In einem Plastikbeutel sind die drei Räder und Fahrwerksbe­stand­teile enthalten, im anderen befinden sich die Ruder­scharniere und Ruderhörner. Diese Bauteile sind von perfekter Qualität. Vor allem die filigranen, aber dennoch stabilen Ruder­scharniere begeistern schon bei der ersten Begutachtung.

Kraftpaket
Als Antrieb der Extra 300 SHP kommt ein kleiner Graupner-Brushlessmotor aus der COMPACT-Reihe zum Einsatz, der von einem COMPACT Control 12 BEC ge­regelt wird. Diese Kombo treibt einen Slowfly-Propeller der Dimension 8 x 4,5 Zoll an, was schon vorab auf einen moderaten Stromverbrauch bei ausreichender Leis­tung schließen lässt. Die vier Ruderfunktionen – Seite, Höhe und beide Querruder – werden von Servos des Typs C 1041 bedient, die am Graupner-Mini-Empfänger XP 10 FM 35 MHz betrieben werden. Den notwendigen Strom ­liefert ein 2s-LiPo-Akku mit 400 Milliamperestun­den Kapazität.

Mit einer Tube UHU por, Schleifpapier, Styropor-Se­­­kun­den­kleber und Aktivatorspray bewaffnet, kann die Fertigstellung losgehen. Vorher wird die bebilderte deutschsprachige Bedienungsanleitung gründlich studiert. Mit ihr geht es sehr flott voran. Beim Bau der Tragfläche kommt man zunächst ins Stutzen: Im Mittelteil der Tragfläche wird diese aus drei Lagen Depron gebildet. Das ist ungewöhnlich, aber natürlich auch sehr steif. Also wird es so wie beschrieben geklebt. Graupner nennt diese Teile Profilaufdickungen. Statt des üblichen Tesafilms zum Befestigen der Ruder kommt hier ein GFK-verstärktes Klebeband zum Einsatz. Das sieht bei näherer Betrachtung nicht unbedingt schick aus, hat aber den großen Vorteil, dass es auch auf den lackierten Stellen deutlich länger hält.

Die nächste Denkpause kommt dann erst wieder bei der Servomontage: Die Anlenkung mit Seilen ist nicht nach jedermanns Geschmack, daher wird statt der Anlenkseile eine dünne Kohlestange verwendet. Der Gewichtsnachteil liegt bei insgesamt unter 2 Gramm und ist daher verschmerzbar.

Schicke Schuhe
Ob die auf den Radverkleidungen beworbene Firma Sennheiser Sponsorengelder bezahlt hat, wird Graupners Geheimnis bleiben. Jedenfalls ziert das Logo auch die Oberfläche von Goulians Arbeitsplatz. Wichtig zu wissen ist, dass die kleinen Radverkleidungen durch das Logo optisch stark aufgewertet werden. Leider halten sie in der Praxis den Starts und Landungen auf Rasen nicht stand, sodass bei diesem Einsatzzweck auf die Montage durchaus verzichtet werden kann. Für den Betrieb in der Halle sind die Radverkleidungen sehr gut geeignet.

Kurz vor Abschluss des Baus stößt man schnell an die Grenzen seiner eigenen Fingerfertigkeiten: Im äußeren Flügelbereich sollen das Depron aufgeschlitzt und kleine Kohlestreben, so genannte CFK-Abrisskanten, eingeklebt werden. Nach diversen Schnittübungen an vorhandenen Depron-Resten fällt die Entscheidung, die CFK-Abrisskanten von unten als Verstärkung mit einem Klebestreifen zu montieren, um die Flächen nicht durch krumme Schnitte zu verunstalten. Später im Flug zeigt sich, dass diese Modifikation keine negativen Auswirkungen hat. Mit diesem Schritt endet der Bau. Sehr schön ist, dass die Bauanleitung genau an dieser Stelle die Empfehlungen für die Ruderausschläge benennt und das Maß für den Schwerpunkt angibt.

Einstellungssache
Der vorgegebene Schwerpunkt wird erreicht, indem der Akku einfach in den vorgesehen Akkuschacht geschoben wird. Die Programmierung geht schnell von der Hand. Wie immer werden zwei Schalter zusätzlich programmiert: einer für Expo und Dual-Rate, der zweite für zwei unterschiedlich starke Ruderausschläge. Die Erfahrung zeigt, dass diese Maßnahme bestens geeignet ist, um für Erstflug und Flüge bei schwierigen Bedingungen das richtige Setup für Start und Landungen umschalten zu können.

Ein Blick auf die Uhr machte deutlich, dass der Bau der Extra 300 SHP und die Programmierung des Senders genau drei Stunden gedauert haben. Für das Aushärten der Klebungen am Fahrwerk empfiehlt die Anleitung eine Stunde oder besser die ganze Nacht. Der Empfehlung wurde gefolgt, außerdem kamen die Akkus ans Ladegerät.

Erstflug
Auf dem Flugplatz angekommen, geht es mit dem An­­schließ­en des ersten Akkus los. Dann folgt ein Reich­weiten­check, der selbstverständlich auch bei Slowflyern vorzunehmen ist. Alle Ruder- und Schalterfunktionen werden ein letztes Mal geprüft. Schließlich erfolgt der Start der Extra mangels einer asphaltierten Startbahn mit Zweidrittel-Gas aus der Hand. Nach zwei Zacken Trimmkorrekturen am Höhenruder, weiteren kleinen Anpassungen auf Seiten- und Querruder, fliegt das Modell absolut stabil. Es folgt die erste Kurve mit variierender Geschwindigkeit. Die Extra gehorcht allen Steuer­be­fehlen, hat keine Tendenzen zum Ausbrechen oder Wackeln und liegt gut an den Knüppeln. Also etwas mehr Tempo und ab in den ersten Looping. Die Flächen verbiegen sich kein bisschen. Es folgen ein Aufschwung, ein Abschwung, ein wenig Rückenflug und ein paar einfache Figuren. Der Schwerpunkt scheint zu stimmen. Der kleine 400er-LiPo-Akku liefert dem Antrieb ausreichend Strom, sodass die Extra 300 SHP mit viel Schwung senkrecht nach oben beschleunigt.

Durch die grüne Farbgebung ist die Extra am Himmel sehr gut zu erkennen. Aber da oben ist dieser Flieger deplatziert. Dort kann er gar nicht bewundert werden. Er will lieber weiter unten ein paar Rollen drehen, auf Kniehöhe über den Platz fliegen und nach einem Aufschwung im Rückenflug zurück zum Piloten kommen. Doch halt! Dies ist der Erstflug. Darf man die Extra dabei schon so fordern? Sie scheint nichts dagegen zu haben und so hat man als Pilot seinen Spaß, bis der Sender nach fünf Minuten mit lautem Piepsen zur Landung mahnt. Diese gelingt auf Gras völlig stressfrei, auch wenn sich die Extra dabei auf die Nase stellt und die kleinen Radverkleidungen zum ersten Mal leicht verbogen werden. Sie lassen sich aber mit Gefühl und einem Tropfen UHU por reparieren.

Klappe, die zweite
Nachdem flugs der Ersatz-Akku montiert worden war, konnte der zweite Flug erfolgen. Das spätere Nachladen von nur 250 Milliamperestunden zeigte, dass die Flugzeit bei flottem Flug durchaus auf acht Minuten erhöht werden kann, ohne dass der LiPo-Akku dabei zu tief entlädt. Auch in der Halle macht die Extra 300 SHP eine gute Figur. Allerdings sollte der Pilot Indoor-Flug erfahren sein, da das Gewichtsver­hältnis im Vergleich zu anderen Hallenfliegern eher am schweren Ende der Skala zu sehen ist. Insgesamt erfüllt das Modell dennoch alle Erwartungen und offenbart eine rundum gelungene Konstruktion.

Bilanz
Die Extra 300 SHP Indoor ist ein schicker Depron-Kunstflieger mit sehr guten Flug­eigen­­schaften. Ihre Einsatzgebiete sind der kleine Flugplatz oder die große Halle. Wind bis 3 Beaufort ist in Ordnung. Am meisten Spaß macht das Fliegen bei Windstille. Die Bauanleitung ist nahezu perfekt, die von Graupner empfohlenen Komponenten passen kompromisslos. Empfehlenswert ist die Anschaffung eines Ersatz-Antriebsakkus, damit der Flugspaß nicht durch allzu lange Ladepausen unterbrochen wird.