Der Easy Star II von Multiplex

„Ich lauf hin!“ „Ja, schnell, zieh ihn aus dem Wasser.“ Puh, das war knapp. Rutschte das Modell doch nach dem Landen einfach auf dem harten Sandstrand bis ins Wasser weiter – Sachen gibt’s. Zum Glück stand der persönliche Rettungsassistent in der Nähe, erfasste die Situation sofort und stand wenige Sekunden später mit Gummistiefeln in der Elbe. Fünf Grad Celsius Wassertemperatur und zwei Grad in der Luft. Für diese Testcrew gibt es auch im Winter was zu tun. Eine Überprüfung der Wasserlandequalität des Easy Star II stand dabei eigentlich nicht auf dem Zettel. Das war Zufall. Doch die Fotografin freut’s. Ja, sollen die Männer mal machen. Bei so einem Familienausflug am Elbstrand präsentieren sich einem eben die unterschiedlichsten Fotomotive auf dem Silbertablett. Mit von der Partie: der Neue von Multiplex. Easy going Es ist nicht der erste Ausflug des Easy Star II. Nein, auf ihn fiel die Wahl, weil er sich bei den zurückliegenden Flügen als handlich, gutmütig und robust erwiesen hat. Welch großes Spaßpotenzial in dem leichten Elektrosegler steckt, kristallisierte sich mit jeder weiteren Flugminute immer deutlicher heraus. Von Anfang an zeigte sich der Easy Star II von seiner besten Seite. Einfach das Modell am Rumpf unterhalb der Tragfläche anfassen und den Gasknüppel auf Zweidrittel nach vorne schieben. Starten lässt er sich dann mit einem lockeren Wurf aus dem Handgelenk. Der anschließende Steigflug ist kraftvoll, aber nicht zu steil. Zügig schiebt der Druckantrieb das Modell nach oben. Und das bei sehr geringem Propellergeräusch. Machen Pusher gelegentlich einen Höllenlärm, summt dieser hier angenehm leise vor sich hin. Respekt. Ohne zu wackeln werden Meter um Meter an Höhe gewonnen. Stört doch mal ein Windstoß den schnurgeraden Vorwärtsdrang, reichen kleinste Kor­rekturen mit dem Seiten- oder Höhenruder aus, um die Richtung beizubehalten. In der gewünschten Höhe angekommen, sollte man zum Segeln langsam und dosiert den Gasknüppel zurückschieben. Abruptes Motordrosseln quittiert der Easy Star II mit einem kurzen Absacken über die Nase und einem folgenden Pumpflug, der mit beherztem Tiefenruderausschlag zu beenden ist. Dieser Höhenverlust lässt sich durch sanftes Ausleiten des Steigflugs vermeiden. Kaum im Segeln begriffen, zeigt sich das Modell erneut von seiner besten Seite. Der macht richtig Strecke. Mit Thermik ist es im Winter ja nicht so gut bestellt. Doch darauf lässt sich wetten, dass sich der Easy Star II in dieser Disziplin später einmal als klasse Floater entpuppen wird. Kurzum: Die vom Hersteller vorgegebene Schwerpunktlage ist sehr gut getroffen und passt zum Modell. Mit Gefühl Die Fluggeschwindigkeit im reinen Gleitflug ist angenehm langsam. Drückt man ihn ein wenig an, nimmt er etwas Fahrt auf. Für Einsteiger alles im grünen Bereich. Den verlässt man erst, wenn die Knüppel am Sender wie entfesselt von der einen in die andere Ecke gedrückt werden. Denn träge ist der Easy Star II überhaupt nicht. Auf Steuerbefehle reagiert er deutlich, auch mit den vom Hersteller empfohlenen Ruderausschlägen. Unge­übte könnten da durchaus in Schwierigkeiten geraten. Dem Modell darf man das aber nicht negativ anlasten. Im Gegenteil. Total eigenstabil würde schon nach ­wenigen Stunden Flugerfahrung ein total langweiliges Modell bedeuten. Bewegt man die Steuerknüppel ge­­fühlvoll, was Einsteiger eben erst noch lernen müssen, lässt sich der Easy Star II alleine mit Höhen- und Seitenruder sehr gut durch die Luft dirigieren. Auch enger geflogene Manöver mit Motorunterstützung unterstreichen die Flugeleganz des Modells. Anfänger, die sich die Hilfe einer erfahrenen Piloten zunutze machen, sammeln bei diesen guten Flugeigenschaften in kürzester Zeit die erforderlichen Erfahrungen, um schon bald sicher alleine zu fliegen. Und wie ist es um die Überzieheigenschaften bestellt? Hungert man das Modell mit durchgezogenem Höhen­ruder aus, kippt es über die Nase nach vorne und nimmt wieder Fahrt auf. Ein seitliches Abkippen konnte nicht beobachtet werden. Mit weniger Höhenruderaus­schlag hingegen lässt sich die Geschwindigkeit sehr weit reduzieren. Kommt dann noch etwas Gegenwind ins Spiel, tänzelt der Easy Star II bei­­nahe auf dem Punkt. Das Seitenruder behält seine Wirkung bei, muss dann aber sehr dosiert eingesetzt werden. Das Spiel mit dem Wind, das bei geschickter Höhenruder­stel­lung fast schon einen senkrechten Abstieg zulässt, fördert den Flugspaß und die Reflexe des Piloten. Zum Landen sind das alles ausgezeichnete Eigenschaften: entweder weit und tief anfliegen, Motor aus, ausgleiten und ohne Höhenruder­unterstützung irgendwo auf der Landebahn aufsetzen ­lassen; oder tief anfliegen, mit etwas Höhenruder die Geschwindigkeit reduzieren und punktgenau aufsetzen. Sehr dynamisch Selbstverständlich legt der Easy Star II schöne, kreisrunde Loopings hin, sowohl große als auch engere. Etwas Motor­kraft ist dabei immer von Vorteil. Ein Turn ist schnell ge­­macht – mangels Motorkraft ist lediglich die senkrechte Steigphase kürzer zu planen. Im Rückenflug, bei dem reichlich Tiefe und Gas gefragt sind, lässt sich der Easy Star II auch tiefer über den Platz fliegen, ohne gleich Herzrasen zu bekommen. Rollen sehen ohne Querruder einfach bescheiden aus. Enge Wenden, vor allem tief angesetzt, kommen wiederum richtig gut. Wird es dann irgendwann doch mal kritischer, reicht Vollgas aus, um die Kiste aus der Gefahrenzone zu reißen. Wunder darf man vom kleinen Außenläufer Permax BL-O 2830-1100 nicht erwarten – die kann auch er nicht vollbringen. Endlos senkrecht bleibt zunächst ein Traum. Doch dynamisch Rumheizen, das kann man mit dem Easy Star II jederzeit. Der moderate Stromverbrauch lässt bei Verwendung eines 3s-LiPos mit 2.000 Milliampere­stunden eine Motorlaufzeit von 20 bis 25 Minuten zu. Kombiniert man die mit einigen Segelphasen, reicht ein Akkupack für eine dreiviertel Stunde Flugvergnügen. Kommt Thermik ins Spiel, ist noch viel mehr Flugzeit drin. Fertig oder in Teilen Im vergleichbaren Zeitrahmen – etwa 45 Minuten – pendelt sich auch das Aufrüsten des Modells ein, sofern man Kunde des RR-Sets ist. Hier sind fast alle Arbeitsschritte erledigt wie Servoeinbau oder Motor- und Reglermontage. Zu tun bleibt einzig, das Höhenleitwerk in die Seitenfinne einzuschieben, dieses mit Hilfe eines Plastikklips zu arretieren und das Anlenkungsgestänge vom Höhenruder festzuschrauben. Die beiden Flächenhälften sind mitsamt dem Glasfaserholm in die Aussparung am Rumpfpylon einzuschieben, dann ist auch das erledigt. Für den Anschluss von Empfänger und Akku – beide sind noch separat zu erwerben – sowie das Programmieren des Senders und der Ruderausschläge vergehen ebenfalls nur wenige Minuten, schon ist der Elektrosegler startklar. Erwirbt man den reinen Baukasten, fallen doch einige Klebearbeiten und Montagetätigkeiten an, die sich gerne über zwei bis drei Abende hinziehen können. Dank der sehr guten und reich bebilderten Bauanleitung ist der komplette Bau des Modells auch von einem Einsteiger zu bewältigen. Etwas Hilfe von einem erfahrenen Modell­sportler oder handwerkliches Geschick erleichtern natürlich den Weg bis ins Ziel. Erforderlich sind bei der Baukastenversion noch mindestens zwei Servos, ein Regler und Motor sowie Empfänger und Akku. Hier hat man dann innerhalb eines bestimmten Rahmens freie Auswahl. Zum Transport können die beiden Tragflächen und das Höhenleitwerk mit wenigen Handgriffen demontiert werden. Das freut Jugendliche, die ihren Easy Star II für den Weg zum Flugplatz vielleicht in der Fahrradtasche oder dem Rucksack verstauen möchte. Von großem Vorteil ist es, einen Computersender zu verwenden. Etwas Expo auf die Ruder erhöht den Steuer­komfort. Ein Timer hilft, sich bei der Flugzeit zu orientieren. Ist der zudem mit dem Gasknüppel gekoppelt, wird’s langsam luxuriös. Die Schokostreusel auf der Sahnehaube sind dann ein Telemetriesystem, das über den Stromver­brauch und die verbleibende Restkapazität informiert. Zurück am Strand Der Timer lief an jenen Dezembertag mit, doch die Um­­gebungstemperatur ließ auch den LiPo nicht kalt. Zwar regelte der Steller die Motorleistung bei niedriger werdendem Energievorrat langsam zurück, doch das bemerkte der Pilot nicht rechtzeitig. Das Foto mit einem Containerschiff im Hintergrund sollte unbedingt im Kasten sein. Plötzlich war der Motor aus und sprang auch nicht mehr an – natürlich einige Meter weiter draußen über der Elbe. Dank intelligenter Reglerelektronik blieb die Steuerbarkeit der Ruder erhalten und der Easy Star II befand sich hoch genug, um nach Hause zu segeln. Und zwar mitten in die dicht am Ufer stehenden Weiden hinein. Es krachte ein wenig, dann rutschte das Modell zwischen Ästen runter und schlug mit der Nase voran auf den festen Boden auf. Unterm Strich kamen zwei neue Druckstellen und ein Lackabplatzer auf der werkseitig lackierten Kabinenhaube neu hinzu. Mehr nicht. Elapor verzeiht eben vieles. Dass dieser Flug nach der Wasserlandung überhaupt möglich war, ist ebenfalls der soliden Bauweise und dem Material zu verdanken. Im Rumpf fanden sich nur wenige Wassertropfen, die nicht den Weg zum Empfänger fanden und der Motor sowie die Servos waren auch trocken geblieben. Der Easy Star II hat eben mehr Qualitäten, als auf den ersten Blick erkennbar sind.