Der Chipmunk von Rödelmodell

Knalliges Gelb hat die erste Maschine als Lackierung erhalten. Die korrekte Bezeichnung für diesen Farbton lautet Narzissengelb oder schlicht RAL 1007, was nicht verwechselt werden darf mit RAL 1032, Ginstergelb und schon gar nicht mit RAL 1023, Verkehrsgelb. Sahen die Flugzeuge tatsächlich so aus? In der Tat, die De Havilland Chipmunk – kurz DHC-1 – Trainingsflugzeuge der RCAF, der Royal Canadian Airforce, hatten diese Farbgebung. Trainingsflugzeuge tragen oft diesen Farbton an ein paar Stellen des Rumpfs, da dieser auch unter schwierigen Sichtbedingungen sehr gut zu erkennen ist. Aber nicht alle sind so konsequent damit bemalt. Die dazu passenden Flaggen, Kennzeichen und Beschriftungen sind von höchstem Niveau, aber das versteht sich eigentlich von selbst. Unruhestand Wie es zu diesem Flugzeug gekommen ist? Wolfgang Rödel wollte sich eigentlich im Ruhestand ein schönes Modell gönnen, das nach allen Regeln der Kunst und hauptsächlich zum eigenen Vergnügen zu bauen ist. Dafür hatte er die DHC-1 schon seit Längerem im Sinn. Wer nun meint, dass Herr Rödel sich einen Plan oder gar einen Bausatz kauft, der irrt gewaltig. Ein Mann, der bereits früher mit seinem Unternehmen und auch heute so sehr in der Modellfliegerei verwurzelt ist, kann sich die Ma­­schinen nur vom Grund auf selber bauen. „Ich wollte für mich den perfekten Flieger. Es sollte ein seltener Oldtimer sein, da diese einfach die interessanteren Formen haben“, so Wolfgang Rödel. Er kaufte daher eine präzise Dreiseitenansicht und machte sich ans Werk. In diesem Fall sah das so aus: Die Ansichten wurden zuerst eingescannt und dann mit dem CAD-Programm nachgezeichnet. „Pixel lassen sich nicht auf drei Meter Spannweite vergrößern, Das geht nur mit Vektoren“, erklärt Wolfgang Rödel seine Vorgehensweise. Danach folgt die komplette Konstruktion jedes Einzelteils am Rechner in 2D. „Die Konstruktion in 3D würde nichts nutzen, da der erforderliche Maschineneinsatz zum Bau der Formen erheblich teurer wäre. Nichtsphärische Teile oder Abwicklungen kann man auch so bequem konstruieren und die anderen Teile entstehen dann eben in ihrer endgültigen Gestalt beim konventionellen Formenbau“. Von diesen Negativformen gibt es eine Menge, wie man aus den Bildern der Bauteile schließen kann. Alle sind sie in astreiner Industriequalität und lassen, untertrieben gesagt, ein paar mehr Abformungen schon zu. So bleibt die Chipmunk wohl nicht Wolfgang Rödels Privatmodell. „Ein wenig habe ich auch auf die Marktfähigkeit des Fliegers geachtet.“ Also doch. Viele Stunden Die Beschränkung auf 2D scheint ziemlich sinnvoll zu sein, da über vier Jahre hinweg bereits so schon ein Aufwand von weit über 1.000 Stunden zusammen gekommen ist. Würde man den auf eine Kleinserie von Modellen umlegen, dann wären diese schlicht unbezahlbar. Das wäre aber schade, denn dann käme man nicht in den Genuss von Herrn Rödels raffinierter Konstruktion. Allein der Aufbau des Tragflügels ist schon eine Klasse für sich. Die CNC-geschnittenen Rippen und Aussteifungen ergeben zusammen mit den präzise gefrästen Holmen bereits einen sehr genauen Tragflügel mit dem Profil NACA2416. Die einzelnen Bauteile greifen im richtigen Winkel ineinander wie bei einem Technikbaukasten. Etwas falsch zu machen, fällt schwer. Die Flügelnase ist aus GFK und mit allen Nieten und Stößen des Originals versehen. In Richtung Hinterkante des Flügels folgt CNC-gefrästes, 0,8 Millimeter starkes und zertifiziertes Flugzeugsperrholz, das mit Gewebe bespannt ist. Beim Original ist die Flügelvorderkante eben aus Aluminium und der hintere Teil auch mit Gewebe bespannt. Klappen und Querruder des Modells werden erst später vom vollständig gebauten Flügel getrennt, damit die Passform erstklassig wird. Auch die Rumpfspanten und weitere Teile aus Holz sind als CAD-Teile entstanden und somit in optimaler Pass­form in den Rumpf einzubauen. Noch nicht entschieden ist, ob es für den unteren Abschluss des Cockpits eine geschlossene Wanne oder ebenfalls eine Holzkon­struk­tion geben wird. In jedem Fall müssen die feinen Cockpit­instrumente nicht ins Leere blicken. Ein Sitz und somit ein Pilot werden montierbar sein. Made in Germany Der Werkstatt, in der die Chipmunk entsteht, sieht man es an, dass dort Qualität produziert wird. „Unsere Kun­den entscheiden sich relativ selten zu einem Impulskauf. Es kann schon einmal zwei Jahre dauern, bis eine Kauf­ent­scheidung gefallen ist. Eine gewisse Lieferzeit akzeptieren sie, weil sie wissen, dass sie ein Qualitätsprodukt bekommen.“ Die Frage nach der Haltbarkeit seiner Mo­­delle wird dann mit der Geschichte von einem Kunden beantwortet, der nach 30 Jahren für seine Ka6 eine neue Haube bestellte. Nein, nicht wegen eines Defekts, sondern weil sie ein wenig stumpf geworden war. Funktioniert hätte sie noch lange. Doch zurück zur Chipmunk. Ein ZG 62 mit seitlich verlegtem Vergaser lässt eine 22 × 10-Zoll-Luftschraube drehen. Komfortabel wirft ein Fema-Bordanlasser dieses Aggregat per Fernsteuerung an. Der dazu entwickelte Motordom ist „wie bei den großen Jungs“ verschweißt. Mit diesem Motor kann die Chipmunk sehr schön vorbildgetreu geflogen werden. Wer gerne ein bisschen mehr Leistung möchte, der könnte auch einen DA 85 montieren. Wenn man ein wenig träumen darf: Platz für einen hübschen Boxer wäre auch vorhanden. Es gibt auch Gedanken für die Elektrifizierung des Modells. Die große Öffnung zum Wartungszugang für den Motor könnte problemlos als Akkuklappe verwendet werden. Mit 10s-LiPos und einem Außenläufer, der etwa 100 Ampere verarbeiten und gut 250 Mal pro Minute und Volt drehen kann, könnte die gleiche Luftschraube wie bei einem Verbrenner angetrieben werden. Ausrüstung Aber auch bei der Verbrennerversion fliegen ein paar Akkus mit. An den Schubfächern kann man abzählen, wie viele das Vergnügen haben. Die ersten beiden 2s-LiPos mit 2.200 Milliamperestunden (mAh) versorgen über eine DPSI RV Mini 6-Weiche von Emcotec den Empfänger und die Servos mit Energie. Akku Nummer Drei ist ein 2s-LiPo mit 1.800 mAh, der die Zündung befeuert. Der Anlasser saugt an einem 4s-LiPo mit 2.200 mAh. Damit dieser nach dem Start noch etwas zu tun hat, liefert er noch den Strom für die Landescheinwerfer, die farbigen Navigationslichter und eine weiße Heckleuchte. Ein ACL hatte das Original auch nicht, also findet sich keins im Modell. Alle vier Akkus sind mit unterschiedlichen Steckverbindern ausgestattet – Ver­wechs­lungen sind somit ausgeschlossen. Bewegung bringen pro Tragflächenhälfte zwei 8,5 Kilo­gramm (kg) stemmende Servos ins Spiel. Zwei weitere davon steuern das Höhenleitwerk. Das üppige Seitenleitwerk erfordert dann den Einsatz eines 15-kg-Servobrockens. Gesteuert werden die Servos mit einer mc-24 von Graupner, das auf Yetis 2,4-Gigahertz-System umgebaut ist. Optimiertes Modell Natürlich fliegt die Chipmunk auch erstklassig – wie sich das für einen Trainer gehört. Wir Modellbauer wissen, dass eine einfache Verkleinerung eines guten Originals noch lange kein gut fliegendes Modell hervorbringen wird. Da haben es die Standmodellbauer einfacher. Funktions­modelle brauchen aber ein paar Anpassungen, um eben auch vernünftig funktionieren zu können. Nicht ohne Grund ist die Baubewertung bei Scalewettbewerben aus einem gewissen Abstand durchzuführen. Nieten­zählen ist erlaubt, Erbsenzählen nicht. „Es soll mir keiner weißmachen, dass er aus drei Meter Entfernung erkennen kann, ob ein Modell hier oder da um ein paar Millimeter optimiert wurde“, meint Wolfgang Rödel. Daher sagen wir auch nicht, wo angepasst wurde. Ohne genaues Nach­messen würde man es ohnehin nicht sehen. Der klassi­sche Kunstflug ist modellgerecht und kann gut geflogen werden. Kilometerlange Rollen, wie an der Schnur gezogen, wurden dann doch nicht ausprobiert, aber was zu sehen war machte diese Aussage glaubhaft. Anfänger werden sich natürlich andere Flugzeuge zulegen, aber die Charakteristik dieser Chipmunk würde sie eigentlich zum idealen Modell für den Einstieg in unser Hobby machen. Gerade für anstehende Großmodellpiloten. Die DHC-1 von Wolfgang Rödel ist ein optisch gelungenes Scalemodell. Die Qualität des Bausatzes hebt sie auf ein Niveau, an dem sich andere messen können. Der Scalefan wird sich an der Chipmunk erfolgreich austoben können. Aber auch ohne weitere Verfeinerungen ist sie schon wegen ihrer Flugeigenschaften eine Schau.