Das fliegende Auge

Das fliegende Auge

So optimal sich ein Modellhubschrauber als fliegender Kameraträger auch eignet und so weitläufig die Einsatzmöglichkeiten auch sein mögen, so vielfältig sind auch die spezifischen Störfaktoren unserer Drehflügler. Von Schwingungen aller Art, über Resonanzen bis hin zu andauernden Abweichungen der horizontalen Fluglage. Möchte man auch nur halbwegs professionelle Ergebnisse einfahren, so bedarf es eines profunden Kenntnistands nicht nur auf dem Gebiet des RC-Helis. Wir haben es bei der Foto- und Filmfliegerei mit übergreifenden Technologien zu tun. Wer hier bestehen möchte, muss in der Lage sein, alle mitwirkenden Teilgebiete zu beherrschen und unter einen Hut zu bringen.

Die Qualität unserer Arbeit wird in vielerlei Hinsicht nicht nur von der eingesetzten Technik bestimmt. Beim Foto- und Filmflug mit einem Hubschrauber kommt den peripheren Komponenten sowie deren Bedienung eine Schlüsselrolle zu. Wer seine Kamera an einen beliebigen Hubschrauber hängt, um ein paar schöne Bilder zu schießen, wird es in den meisten Fällen vermutlich bei den Aufnahmen des eigenen Vereinsgeländes belassen. So ist ein Heli, der im normalen Sonntags-Flugbetrieb absolut zufrieden stellend und zuverlässig fliegt, noch lange nicht als Foto-Heli tauglich. Und die beste Kamera eignet sich nicht, wenn man sie nicht richtig und „vorausschauend“ bedienen kann. Alles in allem scheint der Kameraflug also keine ganz einfache Aufgabe zu sein. Wer jedoch in der Lage ist, sein Modell in Sachen Laufkultur zu optimieren und dazu noch einen professionellen Kameraträger verwendet, kann mit etwas Geschick durchaus auf Anhieb passable Ergebnisse erzielen.

Der Heli

Als Erstes ist es zwingend notwendig, einen Hubschraubertyp zu wählen, der für unser Vorhaben geeignet ist. Dass das gewählte Modell über genügend Leistungsreserven verfügen muss, ist ohnehin jedem klar. Das Zusatzgewicht des vollbestückten Kameraträgers sollte das Flugverhalten und die Flugzeit des Modells gar nicht oder nur kaum spürbar beeinflussen. So muss beispielsweise auch mit voll beladenem Kameraträger jederzeit eine erfolgreiche Autorotation möglich sein. Nahe liegend ist, das Modell elektrisch zu betreiben, um unnötige Vibrationen durch den Antrieb zu minimieren. Eine solide Bauweise des infrage kommenden Modells ist natürlich Pflicht, dazu zählt besonders auch ein kräftig dimensionierter Freilauf, welcher in der Lage ist, die meist sehr hohen Kräfte des Antriebsmotors sicher zu übertragen. Und dann noch ein nicht unwesentlicher Faktor: eine nicht allzu hohe Rotordrehzahl. Denn wie jeder Heli-Pilot weiß, ist es wesentlich einfacher, ein Modell mit niedriger Systemdrehzahl auf eine hervorragende Laufkultur zu trimmen. Bringt man nun all diese Faktoren auf einen gemeinsamen Nenner, so wird sich zwangsläufig ein größeres Elektromodell ab zirka 1.600 Millimeter Rotordurchmesser ergeben.

Zugegeben, einen Heli kameratauglich zu machen, ist ein nicht unerheblicher Aufwand. Wer von vornherein ohne experimentellen Aufwand auskommen möchte, setzt am besten gleich auf entsprechende Modelle aus dem Fachhandel. Diese vereinen nicht nur die oben genannten Parameter, sondern bieten zugleich auch weitere Optimierungsmaßnahmen. Zu diesen zählen unter anderem die Verwendung rundlaufoptimierter und speziell selektierter Bauteile sowie eine spezielle Rotorkopfauslegung zur weitestgehenden Verminderung aller vom Hauptrotorsystem ausgehenden Schwingungen. Alle aufge­zählten Faktoren sind essenziell für den Kameraflug. Insbesondere bei Filmaufnahmen werden am fertigen Film urplötzlich Faktoren sichtbar, die dem normalen Flugbild des Modells nicht anzusehen wären.

Die Kameraträger

Es gibt fertige Systeme, die für Berufsfotografen oder auch ambitionierte Hobby-Filmer bestens geeignet sind. Als Erstes muss bestimmt werden, welche Art von Aufnahmen zukünftig erstellt werden sollen. Wer vermehrt auf Fotoaufnahmen abzielt, wird in den meisten Fällen auch den Bereich der 360-Grad-Panoramaaufnahmen abdecken wollen. In diesem Falle kann der Kameraträger etwas kompakter ausfallen, da er in der Regel nur eine verhältnismäßig kompakte Spiegelreflexkamera mit entsprechendem Objektiv aufnehmen wird. Dafür muss sich der Träger aber volle 360 Grad drehen können, ohne dass die Sicht des Objektivs eingeschränkt wird. Am besten lässt sich dies durch ein sich unter dem Modell frei drehendes Trägersystem ermöglichen. Da sich in diesem Fall nicht nur der eigentliche Kameraträger, sondern das gesamte Kameragestell dreht, besteht ständig freie Sicht zur gerade aufgenommenen Szenerie, ohne dass störende Kamerabeine im Weg sind. Derartige 360-Grad-Trägersysteme haben sich besonders bei professionellen Anwendern innerhalb kürzester Zeit zum Standard entwickelt und die meist wesentlich komplizierteren Systeme mit nach oben klappbaren Beinen vollständig abgelöst.

Ein reines Fotogestell ist nicht nur wesentlich kompakter, sondern auch um einiges leichter als ein filmtauglicher Unterbau. Aus diesem Grunde kann für den reinen Fotoflug auch ein entsprechend kleinerer Trägerhubschrauber mit nur zirka 1.500 Millimeter Rotordurchmesser eingesetzt werden. Auch die Vibrationsabschirmung gegenüber modellinterner Schwingungen ist beim reinen Fotoeinsatz unkritischer. So können derartige Fotolandegestelle bei entsprechend sauber laufenden Trägermodellen direkt ohne äußere Dämpfungsmaßnahmen an die Unterseite der Mechanik angeflanscht werden. Werden keine 360-Grad-Panoramaaufnahmen benötigt, so kann auf das dafür benötigte Drehmodul verzichtet werden. Dies vereinfacht das Handling und es ist sogar einer einzelnen Person möglich, die benötigten Aufnahmen in den Kasten zu bringen.

Träger für Foto und Film

Anspruchsvoller, sowohl von Seiten des Kameraträgers als auch von der Laufruhe des Trägermodells, wird es bei kombinierter Anwendung für Foto und Film. Einmal ganz davon abgesehen, dass Kameraträger für Filmaufnahmen fallweise auch über Gyro-Systeme stabilisiert werden, besteht bei Verwendung für Filmaufnahmen ein weitaus größerer Bedarf einer wirkungsvollen Vibrationsentkoppelung gegenüber dem Modell. Wie bereits eingangs erwähnt, werden von der Kamera auch feinste und im normalen Flugbetrieb nicht wahrnehmbare Lageänderungen des Modells erfasst. Diese werden am fertigen Filmmaterial als extrem störend empfunden und machen meist die ganze Sequenz unbrauchbar. Auch geringste Gleichlaufstörungen des Antriebs sorgen für ein während des Flugs nahezu unsichtbares, jedoch sehr hartes Auslenken des Heckauslegers. Natürlich kompensiert unser Gyro diesen ruckartigen und dauernd wiederkehrenden Versatz scheinbar mühelos, sodass am Flugbild des Modells nicht das Geringste sichtbar wird. Doch dem scharfen Auge unserer Videokamera entgeht nichts und auch die beste Kameraaufhängung kann ein derartiges Verhalten nicht vollständig kompensieren.

Wobei wir auch schon beim Argument der Stabilisierung einer Kameraaufhängung durch Kreisel angekommen sind. Ein Gyro kann einer Auslenkung immer nur entgegenwirken. Wird dieses Entgegenwirken des Gyros in Form einer mechanischen Korrektur der Kameraaufhängung zum Beispiel über ein Servo eingebracht, so ist eine verwackelte Aufnahme die Folge. Kurzum, Stabilisierungs-Systeme sind nicht da, um Unzulänglichkeiten der Modellauslegung oder die Folgen einer unzureichenden Laufkultur des Trägermodells auszugleichen. Ein ruhig und ausgeglichen fliegender Trägerheli ist das A und O für gelungene Videoaufnahmen. Wird also etwas stabilisiert, so ist es nicht etwa die Kameraaufhängung, sondern das Trägermodell.
Es ist wesentlich leichter einen Rotorkopf mit Steuerpaddel elektronisch zu stabilisieren, als einen von Natur aus zankenden paddellosen Kopf ruhig zu stellen. Klar scheint der paddellose Kopf vom Beobachter des Flugbilds aus wie angenagelt in der Luft zu stehen. In vielen Fällen trügt jedoch auch hier der Schein. Die dauernden Steuerkommandos der paddellosen Elektronik sind am Video ständiger Begleiter der Aufnahme und setzen deren Qualität durch eine unruhige Bildführung meist drastisch herab. Hingegen wartet ein gut abgestimmter Paddelkopf mit einer für Filmaufnahmen bestens geeigneten Dynamik auf. Zudem werden Steuersignale einer Stabilisierungselektronik weicher umgesetzt und sorgen somit für einen flüssigen Lauf der Bilder. Generell wird in den meisten Fällen eine elektronische Stabilisierung wie beispielsweise ein Heli Command nur so weit eingesetzt, dass sich eine flüssige Flugbahn einstellt. Es sollte vermieden werden, die maximale Empfindlichkeit dieser kleinen Helfer voll auszunutzen, da dies fast immer am Endprodukt sichtbar sein wird.

Gemeinsames

Ein Problem so alt wie der Hubschrauber selbst ist der Umstand einer sich ständig ändernden Neutrallage der Längsachse. Jeder konventionelle Hubschrauber besitzt eine gewisse Neigung in Rollrichtung bereits im Schwebeflug, welche sich bei Seitenwind entweder verstärkt oder aufhebt. Auch im Vorwärtsflug verändert sich diese Neigung laufend aufgrund des höheren Auftriebs am jeweils vorlaufenden Rotorblatt. Man kann sich vorstellen, wie unangenehm sich dieses Verhalten auf alle Aufnahmen auswirkt. Es käme einem Kameramann gleich, der die Kamera ständig nach irgendeiner Seite schief hält. Um diesen Effekt auszugleichen, ist der Kameraträger wie ein Pendel hängend im Kameragestell aufgehängt. Eine pendelnde Aufhängung alleine ist jedoch zu wenig, da sich diese zwangsläufig aufschwingen würde. Also benötigt man noch ein verstellbares Bremselement, das auf das Gewicht der jeweiligen Kamera angepasst werden kann, sowie eine ebenso genau justierbare hydraulische Dämpfung. Erst dieser Aufwand ermöglicht eine unter allen Fluglagen gerade Kamerahaltung. Sämtlicher elektronischer Schnick-Schnack ist hier fehl am Platze.

Auch wenn der eigentliche Bildausschnitt zumeist über die Fluglage des Modells gesteuert wird, soll die Bewegung der Kamera über die RC-Anlage des Operators möglichst sanft und ruckfrei erfolgen. So wird die Kamera-Auflage optimalerweise nicht direkt über ein Servo, sondern etwas gedämpft über ein Zahnriemengetriebe mit einer entsprechenden Untersetzung geschwenkt. In den meisten Fällen wird dazu ein kräftiges Servo seines Potenziometers entledigt und mit einer Riemenscheibe versehen. Die zweite Riemenscheibe befindet sich direkt an der Kameraauflage. Üblicherweise wird das entnommene Poti dann direkt in die Drehachse der Kameraauflage eingebaut. So steht diese in direkter Korrespondenz zum Servo. Das Servo besitzt sozusagen eine weitere, außenliegende Getriebestufe in Form unseres Zahnriemengetriebes. Die Kameraauflage kann nun quasi direkt wie ein Servo angesteuert werden und besitzt praktisch dieselben Endpunkte wie das ursprüngliche Servo. Der einzige Unterschied: Alles läuft super langsam und wesentlich weicher. Wird das Poti hingegen nicht eingebaut und in Mittelstellung belassen, sind endlos Dreh­ungen des Kameraträgers möglich. In diesem Fall ist je nach verwendetem System auf eine entsprechende Kabelführung zu achten.

Natürlich sind alle Bauteile vibrationsentkoppelt oder besitzen vibrationsabsorbierende Eigenschaften. Für Filmaufnahmen ist aber in jedem Fall auch eine entsprechende Entkoppelung gegenüber dem Trägermodell erforderlich. Dies geschieht bei größeren Foto- und Filmlandegestellen am einfachsten über eine Ummantelung der Kufenrohre mittels eines Schaumstoffrohres. Über Letzteres werden die Kufenrohre des Helis mit der Aufnahme des Kameraträgers gekoppelt. Zur Sicherung verwendet man am besten eine Gummikordel oder zumindest kräftige Klettverschlüsse. Bei direkt an die Mechanik angeflanschten Systemen werden üblicherweise spezielle Dämpfungselemente verwendet. Diese müssen jedoch exakt an das Gewicht und die jeweiligen Einbauverhältnisse angepasst werden.

Ground Control

Die meisten User möchten direkt sehen, was sich im Sucher ihrer Foto- oder Videokamera befindet. Dazu wird ein so genanntes Downlink-System benötigt, welches die Daten der Kamera zum Boden überträgt und üblicherweise direkt auf einer dafür vorgesehenen Plattform des Kameragestells untergebracht wird. Die Bilder unserer Kamera müssen ja zum Sender des Downlinks, um zum Empfänger am Boden gefunkt zu werden. Bei Videokameras ist dies wohl eine der leichtesten Aufgaben, schließlich besitzt praktisch jede Videokamera einen „Video out“-Ausgang, der direkt an den Sender angeschlossen werden kann – und voilà schon kann man das Kamera­bild am Boden begutachten.

Etwas schwieriger wird das Ganze, wenn wir das Bild einer digitalen Spiegelreflex-Kamera übertragen möchten, denn mit Ausnahme einiger Modelle von Sony und Canon besitzen Spiegelreflex-Kameras keine „Video out“-Ausgänge, welche die Übertragung des Kameraausschnitts erlauben. Was also tun, wenn keine brandneue Kamera der besagten Marken mit „Video out“ zur Verfügung steht? Keine Panik, auch hierfür gibt es eine Lösung, und zwar in Form einer kleinen CCD-Kamera, welche direkt am Sucher der Kamera befestigt wird. Aber Achtung, je nach Modell muss die passende Linse der CCD-Kamera ermittelt werden. Dazu gibt es keine genauen Vorgaben, aber in der Regel liegt man mit einer 30- bis 38-Grad-Linse im richtigen Bereich. Nachdem die passende Linse gefunden wurde, kann ein durchaus brauchbares Kontrollbild übertragen werden. Für den Fall, dass keine passende Linse für die CCD-Übertragungskamera zur Verfügung steht, kann man sich notfalls auch mit einer gängigeren 73- bis 75-Grad-Linse behelfen. Diese entspricht in der Regel etwa einem 28-Millimeter-Weitwinkelobjektiv einer üblichen 35-Millimeter-Kamera. Die so ausgestattete CCD-Kamera kann nun parallel zur Spiegelreflex-Kamera ausgerichtet werden und ermöglicht einen ungefähren Überblick über den aktuellen Kameraausschnitt.

Resümierend muss festgehalten werden, dass die komplexe Technik, wie sie für Kamerafahrten benötigt wird, kaum lohnenswert im Eigenbau herzustellen ist. Die benötigten Detaillösungen erfordern eine Unmenge an Fachwissen und Know-how. Sowohl beim Kameraträger als auch beim Trägermodell ist man besser beraten, auf fertig erprobte Lösungen der spezifischen Anbieter zu setzen. Über eine gelungene Kamerafahrt entscheiden meist technische Raffinessen, die auf den ersten Blick absolut nebensächlich erscheinen. Bei genauerer Betrachtung stellt man jedoch zweifelsfrei fest, dass es sich bei einem Kameraheli um ein großes Ganzes handelt, bei dem die wenigsten Komponenten für sich alleine stehen.