Vorbild-Dokumentation Corsair F4U

Vorbild-Dokumentation Corsair F4U

Die F4U mit ihren auffälligen Knickflügeln und dem unvergleichlichen Sternmotorensound gehört nicht nur zu den bekanntesten Kampfflugzeugen der Kolbenmotor-Ära, sondern auch zu den langlebigsten. Immerhin wurde die Maschine mit dem bulligen Sternmotor in den USA bis 1952 produziert. Und als Autorin habe ich selbst eine ganz besondere Beziehung zu dieser beeindruckenden Maschine. Nicht nur, dass ich sie bereits auf vielen internationalen Airshows bewundern durfte. Sie wurde auch von meinem guten Freund und „persönlichem Jagdflieger“ Drury Wood im Kampfeinsatz geflogen.

Zur Inspiration für die vorliegende Doku schenkte mir Drury Wood, heute Major im Ruhestand, ein edles Sammlermodell der F4U Corsair aus Metall. Für ihn hatte die Leidenschaft für die Fliegerei mit einem Rundflug in einer Ford Trimotor für 50 Cent im Jahr 1931 begonnen. An diesem Tag beschloss der achtjährige Drury Pilot zu werden, und das mit allergrößtem Erfolg.

Ungefähr zur selben Zeit suchte die U.S. Navy einen Nachfolger für ihre veralteten Jäger vom Typ Brewster F2A und Grumman G-36. Als Gewinner dieser Ausschreibung ging dann 1938 die Firma Vought-Sikorsky Aircraft hervor, die bereits damals zum Luftfahrtgiganten United Technologies in Stratford, Connecticut gehörte. Der Chefentwickler dieses mächtigen Konsor­tiums hatte eine kühne Vision entwickelt: In einer Zeit, in der ein Hochleistungs­jagdflugzeug über eine Leistung von rund 1.000 PS verfügte, legte er ein Konzept für einen Jäger mit fast 2.000 PS vor. Die Basis für den Bau dieses Monstrums sollte der Doppelsternmotor R-2800 Double Wasp der Firma Pratt & Whitney werden. Diese gehörte ebenfalls zu United Technologies und war dem Flugzeug­motorenbau der damaligen Zeit um einiges voraus.

Ungewöhnlich flotte Entwicklungszeit
Die Entwicklung des Marinejagdflugzeugs ging rasch voran und im Mai 1940 hob der silberfarbige Prototyp mit der Bezeichnung XF4U-1 zum ersten Mal ab. Im Vergleich zu den ­meisten anderen Jägern des Zweiten Weltkriegs hatte die von Vought-Sikorsky gebaute Maschine riesige Ausmaße. Ihr luftgekühlter 18-Zylin­der-Sternmotor war in jenen Tagen der größte und leistungsstärkste Motor, der je in einen Jagdeinsitzer eingebaut worden war. Er trieb einen Hamilton Standard Dreiblattpropeller mit einem Durchmesser von über 4 Metern an, der bei späteren Corsair-Versionen sogar durch einen Vierblatt­propeller ersetzt werden musste, um die gewaltige Triebwerksleistung überhaupt noch in die Luft zu bringen.

Die große Bodenfreiheit, die für diesen riesigen Propeller benötigt wurde, führte dann unter anderem auch zum typischen Knickflügel der Corsair. Dieser ermöglichte auch die Auf­nahme eines ausreichend stabilen Einziehfahrwerks für die zu erwartenden, harten Deckslandungen auf Flugzeugträgern. Die beiden Fahrwerksbeine wurden nach hinten eingezogen, wobei sich die Räder um 90 Grad drehten, um dann flach im Flügelknick zu liegen.

Obwohl das Leergewicht der Corsair von knapp 3,5 Tonnen für ein Flugzeug dieser Größe ein echter Triumph des Leichtbaus war, überstieg ihr Gewicht das aller bisher da gewesenen, trägergestützten Marinejäger ganz erheblich. Aus diesem Grund hatten die Konstrukteure bei der Corsair auch besonders breite Flügel vorgesehen, die in Verbindung mit den großzügig dimensionierten Landeklappen überhaupt erst Landungen auf einem Flugzeugträger ermöglichten.

Im Oktober 1940 stellte dann der Corsair-Prototyp mit 652 Stundenkilometern im Horizontalflug einen neuen Geschwindigkeitsrekord auf, mit dem er jedes andere Jagdflugzeug der damaligen Zeit übertraf. Das Konzept von Vought-Sikorsky war voll und ganz aufgegangen und der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney konzentrierte sich bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs auf den Bau großer, luftgekühlter Sternmotoren, anstatt auf flüssiggekühlte Reihen­motoren umzuschwenken. Die Corsair war zum Maßstab aller weiteren amerikanischen Jägerentwicklungen geworden.

Getrennte Wege
Trotz dieses Erfolgs trennten sich die beiden Firmen Sikorsky und Vought wenig später. Sikorsky entwickelte von nun an ausschließlich Hubschrauber, während sich Vought Aircraft auf die Weiterentwicklung und den Serienbau der Corsair konzentrierte. Interessanterweise entwickelte Sikorsky später einen Hubschrauber, der vom selben Triebwerk wie die Corsair angetrieben wurde – die S-56 Mojave. Doch das ist eine ganz andere Geschichte. Nur soviel: Auch für unseren Corsair-Piloten Drury Wood sollten Hubschrauber noch eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen. Doch zunächst einmal musste er die Flugausbildung der amerikanischen Marineflugschule durchlaufen, wo er 1942 seinen ersten Soloflug in einer Piper absolvierte.

Die F4U Corsair hatte inzwischen ebenfalls Fortschritte gemacht und dabei eine massive Kampfwertsteigerung erfahren, die aus vier zusätzlichen Maschinengewehren in den Flügeln und einer stärkeren Panzerung des Cockpits bestand. Dafür mussten jedoch die bisherigen Flügeltanks entfallen und ein zentraler, selbstdichtender Kraftstoff­behälter im Rumpf installiert werden, der wiederum eine Verlegung des Cockpits um rund 800 Millimeter nach hinten erforderte.

Start zur ersten Serienversion
Zur Erhöhung der Rollrate waren die Querruder der Corsair nun durch deutlich größere NACA-Spaltklappen ersetzt worden und die Außenflügel konnten beim Abstellen der Maschine hydraulisch gefaltet werden. Zu guter Letzt war am Heck auch endlich ein Fanghaken montiert worden, der die Erprobung der Corsair unter Einsatzbedingungen ermöglichte. Aus dem Prototyp war die erste Serienversion F4U-1 geworden.

Jetzt gab es jedoch auch eine ernste Rivalin für die Corsair, nämlich die F6F-Hellcat aus dem Hause Grumman. Sie war mit demselben Hochleistungssternmotor wie die Corsair ausgestattet und sollte vorzeitig zum Trägereinsatz bei der Navy kommen, da bei der Einsatzerprobung der Corsair inzwischen einige Probleme aufgekommen waren. Die ansonsten problemlos zu fliegende F4U-1 neigte bei den langsamen Anflügen auf die Flugzeugträgerdecks zu einem gefährlichen, einseitigen Strömungsabriss am linken Flügel und zeigte nach dem Aufsetzen eine deutliche Tendenz zum Springen – zwei Untugenden, die besonders auf Flugzeugträgern nicht gerne gesehen werden!

Dem einseitigen Strömungsabriss konnte schließlich durch Anbringen eines zusätzlichen Metallstreifens am rechten Flügel entgegengewirkt werden, aber das lästige Springen erforderte eine Veränderung der Fahrwerks­geo­metrie, die wiederum die Ausnutzung des vollen Anstell­winkels beim Landeanflug verhinderte. Damit geriet die vielversprechende Corsair plötzlich in die massive Kritik der Navy, die nun den Einsatz dieses leistungsstarken Jagdeinsitzers auf ihren Flugzeugträgern untersagte.

Aus diesem Grund gingen ab 1943 alle produzierten Corsair an das U.S. Marine Corps, das zu diesem Zeit­punkt bereits über kleine Flugplätze auf den Pazifikinseln verfügte und die neuen Flugzeuge daher an Land einsetzen konnte. Trotz ihrer „Strafversetzung“ avancierte die Corsair schnell zum bedeutendsten Jäger im Pazifik. Die ursprüngliche Version F4U-1 war inzwischen von der F4U-1A abgelöst worden, bei der man die Leistung mit Hilfe einer Wassereinspritzung um weitere 250 PS gesteigert hatte. Zudem gelang es Vought die Sicht des Piloten zu verbessern, indem eine neue „Bubble“-Cockpithaube in Verbindung mit einem erhöhten Sitz anstelle der bisherigen „Birdcage“ (Vogelkäfig) Kanzel montiert wurde.

Jäger der Nacht
Der F4U-1A folgte kurze Zeit später die F4U-1D, die als erste Corsair mit Flügelaufhängungen für zwei 600-Liter-Tanks oder zwei 450-Kilogramm-Bomben ausgestattet war. Daneben entwickelte man auch die ersten Nacht­jägerversionen mit der Bezeichnung F4U-2, die mit einem Radargerät, einem Auto­piloten und weiterer Spezial­aus­rüstung versehen wurden.

Der Trägereinsatz der Corsair war zu diesem Zeitpunkt bei der U.S. Navy immer noch verboten. Erst als im Jahr 1944 ein spezielles Landeanflugverfahren ausgearbeitet wurde, erhielt die F4U-1 auch die offizielle Zulassung für Deck­landungen. Inzwischen waren fast 8.000 Exemplare dieses Marinejägers produziert worden und insgesamt 500 technische Änderungen in die Produktion eingeflossen.

Unser Freund Drury Wood war inzwischen mit dem Marine Fighter Squadron 123 (VMF-123) an Bord des Flugzeug­trägers USS Bennington gekommen, der im Pazifik kreuzte und zur Eingreiftruppe „Task Force 58“ gehörte. Seine primäre Aufgabe bestand darin, Angriffe gegen die japanischen Inseln Ryukus und Okinawa sowie gegen das japanische Festland zu fliegen. Wie viele andere Marinepiloten auch, flog Drury zunächst auf der F6F-Hellcat und schulte dann 1944 auf die Corsair um. Sie sollte ihn noch viele Jahre lang begleiten und in seinen Augen zu den besten Kolben­motor­jägern überhaupt zählen.

Besonders eng verbunden war Drury mit der Version F4U-4, die zugleich das letzte Weltkriegsmodell und im Gegen­satz zu ihren Vorgängerversionen mit einem Hydromatic Vierblattpropeller ausgestattet war. Als Antrieb diente ein nochmals leistungsgesteigerter R-2800-42W Doppelstern­motor mit 2.450 PS. Diese Version der Corsair wurde im Gegensatz zu anderen amerikanischen Kolben­motorjägern weit über das Kriegsende hinaus gebaut und konnte als erste auch mit Raketen bewaffnet werden.

Auch das ohnehin schon erheblich verbesserte Cockpit wurde noch einmal weiter modernisiert, indem die Kanzel seitwärts ausgebuchtet wurde, um dem Piloten eine nahezu direkte Sicht nach hinten zu ermöglichen. Eine weitere Ver­­besserung der Vorwärtssicht wurde durch eine Ab­­warts­neigung des Motors um knapp 3 Grad erzielt, wodurch sich auch die Flugstabilität noch einmal verbesserte. Bis zur ja­­panischen Kapitulation am 2. September 1945 waren fast 2.400 F4U-4 gebaut worden und flogen über 64.000 Einzeleinsätze gegen Japan, wobei sie im Luftkampf 2.140 feindliche Flugzeuge abschossen, während nur 189 Corsair im Luftkampf verloren gingen.

Kampfbomber in Korea
Als am 25. Juni 1950 die Feindseligkeiten in Korea ausbrachen, waren bereits acht Tage später trägergestützte Corsair der U.S. Navy im Einsatz, die den verbündeten Südkoreanern zur Hilfe eilten. Auch Drury Wood war wieder dabei und zwar diesmal mit der 1. Marine Division, bei der die Corsair in der Version F4U-5 als Jagdbomber im Tageinsatz geflogen wurde. Daneben waren inzwischen auch die Versionen F4U-5N als Radar-Nachtjäger und die F4U-5P als Fotoaufklärer im Einsatz. Der harte koreanische Winter machte eine weitere Ver­sion erforderlich, die man als F4U-5NL bezeichnete und mit Enteisungseinrichtungen an den Flügelkanten und dem Propeller ausrüstete. Zusätzlich baute man eine Warmluftenteisung für die Cockpithaube ein.

Der erste Winter des Koreakriegs im Jahr 1950 sollte Wood dann für immer im Gedächtnis bleiben, denn am 27. November war er mit dabei, als Teile der Ersten Marine Division zusammen mit weiteren UN-Kräften in Nordkorea vom Gegner vollständig eingekesselt wurden. Die harte, 17 Tage dauernde Winterschlacht, die da­­raufhin entbrannte, sollte später als „Battle of Chosin Reservoir“ in die Geschichte eingehen und Wood ist bis heute mit den Kameraden von damals in Kontakt.

Koreanischer Einfluss
Auch die Entwicklung der Corsair wurde vom Krieg in Korea stark beeinflusst. Obwohl sie es als Jäger noch eine Zeit lang mit den langsameren gegnerischen Flugzeugtypen, wie der Jakowlew Jak-18 oder der Polikarpow Po-2 aufnehmen konnte, begegnete sie doch auch immer häufiger den schnellen Düsenjets vom Typ MiG-15, denen sie auf Dauer kein Paroli bot. Ihre Zeit als Jagdflugzeug war abgelaufen.

Im Jahr 1951 erhielt Vought daher einen Auftrag zum Bau der F4U-6, die als echter Jagdbomber zum direkten Vorläufer der späteren Vought A-7 Corsair II werden sollte. Das Triebwerk der F4U-6, die später auch als AU-1 bezeichnet wurde, war das R-2800-83WA, das im Tiefflug äußerst leistungsfähig war und keinerlei Lufteinläufe um die Trieb­werksverkleidung herum benötigte. Zusätzlich wurden die Ölkühler der F4U-6 weiter nach innen verlegt, um dadurch die Verwundbarkeit der Maschine zu reduzieren.

Im Oktober 1952 lieferte Vought dann die endgültig letzten AU-1 Corsair an die amerikanischen Streitkräfte, die sich bis zum Ende des Koreakrieges am 27. Juli 1953 noch im intensiven Kampfeinsatz befanden. Einige Corsairs lieferte Vought noch an die französischen Streitkräfte für den Einsatz in Indochina und bezeichnete sie als F4U-7. Mit ihnen ging dann endgültig die Ära des mächtigen Marinejägers und -jagdbombers zu Ende, von dem insgesamt mehr als 12.500 Exemplare gebaut worden waren.

Und was ist aus unserem Freund Drury Wood geworden? Nach dem Koreakrieg machte man ihm zum Testpiloten­ausbilder an der US Navy Test Pilot School, wo er unter anderem auch John Glenn das Fliegen beibrachte, der bekanntlich später als erster amerikanischer Astronaut die Erde in einer Raumkapsel umrundete. Wood selber flog als Testpilot dann noch mehr als 100 verschiedene Luftfahr­zeugtypen, darunter auch einige Hubschrauber. Gerade Letzteres kam ihm sehr zugute, als er dann in den 1960er-Jahren nach Deutschland übersiedelte, um hier als Chef­testpilot den Dornier-Senkrechtstarter Do-31 einzufliegen. Diese Zeit stellt für ihn bis heute den Höhepunkt seiner fliegerischen Karriere dar und trotz seiner vielen militärischen Auszeichnungen, zu denen auch das begehrte Distinguished Flying Cross gehört, ist er auf das Bundes­verdienstkreuz, das er 1972 für seine Leistungen beim Do-31-Programm erhielt, am meisten stolz. Da ist es fast schon nebensächlich, dass er bei einem einzigen Flug fünf neue Weltrekorde aufstellte. Heute lebt Drury Wood in Oregon und gehört noch lange nicht zum alten Eisen, auch wenn die meisten „seiner“ Flugzeuge schon längst im Museum stehen.