Vorbild-Dokumentation Bell AH-1 Cobra

Vorbild-Dokumentation Bell AH-1 Cobra

Die AH-1 Cobra wurde von den US-Militärs bei ihrer Indienststellung eigentlich nur als Zwischenlösung gesehen. Inzwischen sind jedoch über 40 Jahre vergangen und die Cobra ist in der zweimotorigen Version AH-1W immer noch bei den US-Streitkräften im Einsatz. Zu ihren markantesten Merkmalen zählen – damals wie heute – ihr extrem schmaler Rumpf, ein laut schlagender Zweiblattrotor und ein großzügig verglastes Tandem-Cockpit, in dem die beiden Besatzungsmitglieder hintereinander sitzen.

Bei der Entwicklung der AH-1 Cobra war der amerikanische Hersteller Bell Helicopters äußerst pragmatisch vorgegangen. Unter der Bezeichnung Model 209 „Huey Cobra“ hatten die Konstrukteure einfach die tausendfach bewährten Kompo­nen­ten ihres Mehrzweckhubschraubers UH-1C „Huey“ in eine neue und sehr schlanke Zelle gepackt. Auch der Antrieb der ersten Cobra war derselbe, wie in der bewährten Huey-Serie, nämlich das unverwüstliche Lycoming T-53 Turbinen­triebwerk. Und selbst der Heckausleger der UH-1C konnte nahezu unverändert für die Cobra übernommen werden.

Dringender Bedarf
Erste Erfahrungen mit der Konvertierung von gewöhnlichen Hubschraubern in reinrassige Kampfhubschrauber hatte Bell schon zuvor in eigener Regie gesammelt. So wurde bereits 1963 eine Bell 47 in einen experimentellen Minikampf­hub­schrauber mit der Bezeichnung Model 207 „Sioux Scout“ umgebaut und als Projektstudie den Militärs vorgestellt. Der Sioux Scout verfügte bereits über alle Merkmale eines modernen Kampfhubschraubers, wie Tandem-Cockpit, Stummelflügel mit Waffenaufhängungen und einen Waffenturm unter dem Bug.

Die Army war zwar grundsätzlich am Konzept des Sioux Scout interessiert, forderte aber aufgrund der Erfahrungen im inzwischen eskalierenden Vietnam-Konflikt einen größeren und leistungsfähigeren Kampfhubschrauber. Diese Forderung führte letztendlich zur Entwicklung der Cobra. Da die Entwicklung des neuen Hubschraubers sehr schnell erfolgen sollte, kam es der Army gerade recht, dass Bell bereits ein relativ einfach zu realisierendes Konzept auf Basis bereits bewährter Komponenten quasi in der Schublade hatte.

Hierzu muss man wissen, dass die Firma Lockheed zur selben Zeit im Auftrag der Army bereits an der Entwicklung eines fortschrittlichen Kampfhubschraubers arbeitete, der später die Bezeichnung AH-56 „Cheyenne“ erhalten sollte. Dieser als „Advanced Aerial Fire Support System“ (AAFSS) bezeichnete Hubschrauber war jedoch derart komplex, dass ein Serienbau Mitte der 1960er-Jahre noch lange nicht in Sicht war, während in Vietnam immer dringender Kampfhubschrauber benötigt wurden.

Nach vielen Monaten der Diskussion fällte der kommandierende Oberbefehlshaber der US-Army, General Harold K. Johnson, dann 1965 die weitreichende Entscheidung, dass zusätzlich zu der bereits bestellten Cheyenne auch die Cobra beschafft werden sollte. Letztere sollte dann als Übergangslösung dienen, bis die Cheyenne endlich einsatzbereit wäre.

Entwicklung in Rekordzeit
Der erste Cobra-Prototyp startete bereits im September 1965 zu seinem Erstflug und war mit einem General Electric Geschützturm unter dem Bug ausgerüstet, der zwei schwenkbare Gatling Miniguns mit einem Kaliber von 7,62 Millimeter enthielt. Zusätzlich waren seitlich zwei Stummelflügel mit insgesamt vier Waffenaufhängungen montiert, die beispielsweise Raketenbehälter oder auch weitere Rohrwaffen aufnehmen konnten. Für Überführungs­flüge konnten an den Stummelflügeln auch Zusatztanks befestigt werden.

Interessanterweise war der Prototyp mit einem einziehbaren Kufenlandegestell ausgestattet. Hierdurch sollte nicht nur das Schussfeld des Kinnturms erweitert, sondern vor allem auch der Luftwiderstand des Hubschraubers reduziert werden. Ziel war es nämlich, die Cobra möglichst schnell zu machen. Dazu gehörten dann auch die Verwendung von versenkten Nietenköpfen an der Rumpfbe­plankung und die Verlegung der Antennen ins Rumpfinnere. Obwohl der Prototyp bereits einen Monat nach seinem Erstflug mit rund 320 Stundenkilo­meter einen neuen Geschwindigkeitsrekord für seine Gewichtsklasse aufgestellt hatte, verzichtete Bell beim Serienbau dann doch auf das einziehbare Kufen­landegestell und andere aufwendige und somit teure Veredelungsmaßnahmen. Dafür wurde im Serienbau das bisher verwendete UH-1-Rotorsystem durch einen neuentwickelten Hochleistungsrotor ohne Stabilisierungsstange ersetzt, mit dem die Cobra in Verbindung mit einem leistungsgesteigerten T53-L-13-Triebwerk dann immerhin nahezu doppelt so schnell unterwegs war, wie die ersten UH-1 Hueys. Die Stabilisierung des Rotorsystems wurde bei der Cobra schon damals von einem elektronischen Stabilisierungssystem übernommen.

Namensgebung
Die erste in Serie gebaute Cobra wurde dann von den Militärs als AH-1G bezeichnet, wobei AH für Attack Helicopter steht. Üblicherweise benannte die Army ihre Luftfahrzeuge nach einheimischen, nordamerikanischen Indianerstämmen wie „Iroquois“, „Apache“, oder „Cheyenne“, aber im Fall der Cobra musste diese Tradition gebrochen werden, da die Hersteller­be­zeichnung Cobra bei Indienst­stellung dieses Hubschraubers bereits so ­­geläufig war, dass an eine Änderung nicht mehr zu denken war.

Die schmale, stromlinienförmige Zelle der AH-1G, die zugleich die Basis für eine ganze Reihe nachfolgender Cobra-Versionen bildete, war in Aluminium-Sand­wich-Bauweise aufgebaut und mit unzähligen, abnehmbaren Verklei­dungs­­blechen bedeckt. Das vereinfachte die Wartung – speziell im Feld – wesentlich. Ihr Tank fasste rund 940 Liter und war selbstabdichtend und beschusssicher. Auch die Besatzung, das Triebwerk und die Hydraulik waren mit einer leichten Panzerung gegen Bodenbeschuss gesichert. Allerdings musste bei der Cock­pitkanzel aus Gewichtsgründen auf Panzerglas verzichtet werden. Dafür waren die beiden Cockpitsitze seitlich mit verschiebbaren Panzerplatten ausgestattet, die bei Bedarf hochgeklappt wurden.

Feuertaufe in Südostasien
Die ersten Cobras trafen im August 1967 auf der Bien Hoa Air Force Base in Südvietnam ein und wurden unverzüglich in den Einsatz geschickt. Dabei es­kortierten sie zunächst hauptsächlich Transporthub­schrauber­geschwader bei Angriffsflügen oder unterstützten Boden­truppen durch Luftangriffe. Später entwickelte die Army das sogenannte Hunter-Killer-Team, das aus einer Cobra und einer OH-6 Cayuse – militärische Version der Hughes 500 – zusammengesetzt wurde. Die Idee bestand darin, dass die Cayuse im Tiefflug über den Dschungel flog, um so den verborgenen Gegner aufzuscheuchen, während die Cobra in größerer Höhe folgte, um sich dann sofort auf den Gegner herabzustürzen. Diese Methode war allerdings für die Cayuse in der Rolle des Jägers nicht gerade ungefährlich, denn oft genug wurde sie dabei von gegnerischen Bodentruppen heftig beschossen, bevor die Cobra eingreifen konnte.

Ende 1968 setzte man bereits über 300 Cobras in Vietnam ein und übernahm nun auch andere Aufgaben, wie Auf­klärung oder Zielmarkierung und gelegentlich sogar Search-And-Rescue (SAR). Ihre hohe Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit in Verbindung mit ihrer schwer zu treffenden, schmalen Silhouette hatten die Cobra bei ihren Crews schnell beliebt gemacht. Auch die Feuerkraft der Cobra war für die damalige Zeit beachtlich. So bestand eine typische Waffenzuladung aus mindestens zwei Raketen­behältern mit je 19 ungelenkten 70-Millimeter-Raketen sowie einer zusätzlichen 40-Millimeter-Kanone, die zur bereits vorhandenen Minigun im Kinnturm montiert ­worden war. Bei Teilbetankung und damit verbundener, reduzierter Reichweite konnten nochmals zwei weitere Raketenbehälter mit je 7 oder 19 Stück 70-Millimeter-Raketen an die Stummelflügel gehängt werden.

Aus den Erfahrungen beim Einsatz der Cobra gingen auch einige Modifikationen hervor. So wurde beispielsweise der zunächst in der Nase montierte Landescheinwerfer der ersten AH-1Gs durch einen schwenkbaren Scheinwerfer unterhalb des Rumpfs ersetzt. Zudem heizten sich die großflächig verglasten Cockpithauben in der Tropensonne derart auf, dass die serienmäßig installierte Belüftungsanlage völlig überfordert war. Als Abhilfe entwickelte Bell eine „Environmental Control Unit“ (ECU), die feldmäßig nachgerüstet werden konnte und bei allen künftigen Cobras zur Standardausrüstung gehörte.

Zu den wesentlicheren Änderungen gehörte die Verlegung des Heckrotors von der ursprünglich linken Seite des Heckauslegers auf die rechte Seite. Statt bisher drückend wirkte der Heckrotor jetzt ziehend, wodurch die Steuer­wirkung spürbar verbessert wurde. Selbst diese aufwendige Modifikation ließ sich im Feld durchführen, indem man einfach die kompletten Heckausleger tauschte. Bei allen künf­tigen Cobra-Versionen saßen die Heckrotoren dann immer auf der rechten Seite des Heckauslegers.

Disco-Light gegen Raketen
In der späten Phase des Vietnamkriegs fielen immer mehr Cobras gegnerischen Boden-Luft-Raketen zum Opfer. Der Grund dafür lag in der Einführung des schultergestützten SA-7 Raketenwerfers, den die Nordvietnamesen inzwischen von ihren sowjetischen Waffenbrüdern erhalten hatten. Diese kompakte und einfach zu handhabende Flugabwehr­waffe verschoss wärmesuchende Surface-to-Air-Missiles (SAMs), die vom heißen Abgasstrahl der Cobras angelockt wurden. Die erste Gegenmaßnahme der Amerikaner bestand in der Montage einfacher Umlenkrohre an den Abgasrohren der Hubschrauber, welche die Abgase nach oben ableiteten und dadurch die gefährliche Wärme­signatur zum Boden hin verringerten. Bei späteren Cobra-Versionen wurden dann immer komplexere Abgaskühl­systeme installiert, bei denen die heißen Abgase vor dem Austritt mit kühler Umgebungsluft gemischt wurden.

Daneben wurden aber auch aktive Raketenabwehrsysteme an der Cobra installiert, wie beispielsweise das ALQ-144, das aufgrund seiner Optik auch als Disco-Light bezeichnet wird. Es handelt sich dabei um ein zylinderförmiges Glasgehäuse in dem sich ein stark erhitzter Keramikblock als Infrarotsender befindet. Der Trick besteht nun darin, dass die Infrarotstrahlung mit Hilfe einer rotierenden Blende in rascher Folge ein- und ausgeblendet wird, wodurch der angreifende Flugkörper verwirrt und schließlich vom eigentlichen Ziel abgelenkt wird.

Nachtaktiv
Ursprünglich war die Cobra als reine Tagwaffe entwickelt worden. Doch bereits im Vietnamkrieg zeigte sich, dass ein idealer Kampfhubschrauber nicht nur bei Tag, sondern auch bei Nacht und dann noch möglichst auch bei jedem Wetter einsetzbar sein sollte. Die Army führte daher bereits früh Experimente mit Nachtsichtgeräten an der Cobra durch, die an der Nase des Hubschraubers montiert wurden. Das erste dieser Geräte war ein passiver Infrarot-Sensor, der im Dunkeln Wärmequellen sichtbar machte und später zur Entwicklung der sogenannten FLIR-Kamera führte, die heute vielfach auch von Rettungs- oder Polizeihubschraubern genutzt wird.

Bei einem weiteren Experiment wurde ein schwenkbarer Restlichtverstärker am Bug einer Cobra montiert. Dieser war U-förmig und sollte beispielsweise Sternenlicht soweit verstärken, dass auf einem Bildschirm die nächtliche Landschaft erkennbar wurde. In den 1960er- und 1970er-Jahren steckten diese Technologien jedoch noch in den Kinderschuhen und brachten daher noch nicht den gewünschten Erfolg. Erst Anfang der 1980er war die Sensortechnik dann soweit fortgeschritten, dass die Cobra endlich auch nachts erfolgreich eingesetzt werden konnte. Zahlreiche bereits vorhandene AH-1G wurden nun auf die Ausführung AH-1Q umgebaut, die unter anderem an der Telescopic Sight Unit (TSU) – ein auffälliger, dreh- und schwenkbarer Sensorturm an der Nase – erkennbar ist. Die TSU ermöglicht nicht nur die Gefechtsfeldbeobachtung bei Tag und Nacht, sondern auch die Zielführung der inzwischen neu entwickelten, drahtgelenkten TOW-Raketen zur Panzerbekämpfung und das Richten der neuen, dreiläufigen 20-Millimeter-Kanone unter dem Bug. Später folgte dann zusätzlich der Einbau eines leistungsstärkeren Triebwerks, womit aus der AH-1Q die Version AH-1S wurde.

In der Version AH-1S wurde die Cobra von den Amerikanern primär als Panzerabwehrhubschrauber eingesetzt und sollte ein Gegengewicht zur damals vierfachen Panzerüberlegenheit des Warschauer Pakts in Europa bilden. Viele amerikanische AH-1S waren daher bis zum Ende des Kalten Kriegs in Deutschland stationiert.

Gegen Ende der 1980er-Jahre wurde aus der AH-1S dann die Upgunned AH-1S mit einer durchschlagskräftigeren Kanone – später als AH-1E bezeichnet – und nach weiteren Entwicklungsschritten die AH-1S Modernized Cobra – später als AH-1F bezeichnet. Von der in Vietnam eingesetzten Ur-Cobra AH-1G unterschied sich die AH-1S Modernized Cobra äußerlich hauptsächlich durch ihre eckige Kanzel mit flachen Scheiben und einer nach hinten verlängerten Triebwerksverkleidung, in der die Kühlanlage für die Triebwerksabgase untergebracht war. Oben auf dieser Verlängerung saß auch das bereits erwähnte Disco Light ALQ-144 zur Raketenabwehr.

Gesicherte Zukunft
Dank ihrer hochentwickelten Sensorik und Bewaffnung war die Cobra dann auch den Anforderungen eines modernen Kriegs in den 1980er- und 1990er-Jahre gewachsen und konnte sich noch eine ganze Zeit lang hartnäckig an der Seite des inzwischen neuentwickelten und bei der Truppe eingeführten AH-64 Apache halten. Erst Ende der 1990er musterte man die Cobra dann endgültig bei der Army aus.

Für den Einsatz beim US Marine Corps (USMC) war parallel zu den einmotorigen Army-Cobras eine ganze Reihe zweimotoriger Cobras entwickelt worden. Das zweite Triebwerk war vom USMC von Anfang an gefordert worden, um eine doppelte Ausfallsicherheit bei Flügen über See zu erhalten. Abgesehen von den beiden Triebwerken unter der breiteren, hinteren Abdeckung unterscheiden sich die speziell für Marinebedürfnisse angepassten Cobras mit den Bezeichnungen AH-1J und AH-1T hauptsächlich durch ihre Funk- und Navigationsausrüstung von den landgestützten Army-Cobras. Die zweimotorige AH-1W – oder Whiskey-Cobra – gehört mit ihrer Triebwerksleistung von insgesamt 3.380 PS zu den leistungsfähigsten aller bisher gebauten Cobras und steht bis heute im Dienst des US Marine Corps. Doch selbst für diese erfolgreiche Cobra ist bereits wiederum ein verbesserter Nachfolger in Sicht, nämlich die AH-1Z Super-Cobra mit neuester computergestützter Avionik und Zielsuchtechnik sowie einem lagerlosen Vierblatthauptrotor – die Legende lebt weiter.