Vorbild-Dokumentation

Vorbild-Dokumentation

Die Gee Bee Super Sportster gehört nicht nur zu den bekanntesten, sondern auch zu den berüchtigtsten Rennflugzeugen der 1930er-Jahre. Bis heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die tonnenförmige, kleine Maschine ein regelrechter Piloten-Killer gewesen sein soll. Mit Sicherheit jedoch war die Gee Bee mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von fast 500 Stundenkilometern das schnellste Landflugzeug ihrer Tage. Gebaut wurde die Gee Bee Super Sportster von der Granville Brothers Aircraft Company in Springfield, Massachusetts, wobei Gee Bee für die Initialen der Granville Brüder steht.

Angefangen hatte die Gee Bee-Story 1925. Damals verdiente Zantford Granville, der Älteste der fünf Granville Brüder, seinen Lebensunterhalt mit Autoreparaturen. Eines Tages erhielt er das Angebot, auf dem benachbarten Flugfeld zusätzlich auch Flugzeugmotoren zu reparieren. Allerdings wurde er hierfür nicht mit baren Dollars bezahlt, sondern mit Flugstunden entlohnt, sodass er relativ schnell zu einer eigenen Fluglizenz kam.

Von der Fliegerei begeistert, gründete Zantford Granville dann Ende der 1920er-Jahre gemeinsam mit seinen Brü­dern Thomas, Robert, Mark, und Edward in Springfield, Massachusetts, die Granville Brothers Aircraft Company. Dies war zu Beginn der Goldenen Jahre der Fliegerei ge­­nau die richtige Geschäftsidee, denn die kleine Flug­zeug­werkstatt der Granville Brothers expandierte sehr schnell und zog bereits nach kurzer Zeit in eine ehemalige Tanz­halle in einem Vorort von Springfield um. Dort war dann auch genügend Platz vorhanden, um eigene Flugzeuge entwickeln und bauen zu können.

Erfolg mit Sportflugzeugen
Die erste Eigenentwicklung der Granville Brothers war ein zweisitziger Doppeldecker mit der schlichten Be­­zeich­­nung Model A und dem klingenden Beinnamen Sportster, der später zu einem Markenzeichen der Gran­ville Brothers werden sollte. Die relativ schnelle und wen­­dige Maschine war auf Anhieb ein Erfolg und schon nach kurzer Zeit er­­warb sich die Granville Sportster den Ruf, die schnellste Maschine ihrer Klasse in den USA zu sein.

Das Geschäftsfeld der Granville Brothers konzentrierte sich nun voll und ganz auf die Entwicklung und den Bau von besonders schnellen Sportflugzeugen – so genannten Sportsters – die gerne von reichen Privatpiloten er­­worben wurden. Leider ging dieser lukrative Absatz­markt in Folge der großen amerikanischen Wirtschaftsde­pres­sion Anfang der 1930er-Jahre schnell wieder verloren. Doch dank ihrer Erfahrungen im Bau von schnellen Leicht­flugzeugen konnten die Granvilles in einer neu aufkommenden Sparte des Luftsports Fuß fassen, nämlich den National Air Races, wo gewaltige Siegesprämien in Aussicht gestellt wurden.

Einstieg ins Renngeschäft
Parallel zum Sportflugzeugbau entstanden in Spring­field von nun an auch stark modifizierte Einsitzer für Air Races, zu denen ab 1930 beispielsweise die Gran­ville Model X gehörte. Diese Maschine konnte sich sehr er­­folgreich beim prestigeträchtigen All American Flying Derby schlagen. Dieses war zu jener Zeit das längste Luftrennen weltweit und führte 5.500 Meilen beziehungsweise fast 9.000 Kilometer weit von Michigan über Texas nach Kalifornien und wieder zurück. Lowell Bayles, ein amerikanischer Rennpilot jener Tage – der meistens barfuß flog, um ein besseres Gefühl für die Seitenruder­pedale zu haben – errang mit der Granville X beim Derby spontan den zweiten Platz. Aufgrund dieses großartigen Einstiegerfolgs beschlossen die Gran­­villes, sich nun voll und ganz auf die Entwicklung von Rennflugzeugen zu konzentrieren.

Als nächstes Granville-Flugzeug entstand daraufhin, auf Basis des bereits vorhandenen Sportflugzeugs Model Y, die Rennversion Senior Sportster. Beim Umbau dieser Maschine machten sich die Brüder aus Springfield die neuesten aerodynamischen Theorien zunutze und verwendeten als eine der ersten amerikanischen Flugzeug­firmen einen Windkanal zur Optimierung ihrer Entwürfe. Die Kehrseite der radikalen Granville-Entwürfe, die einzig und allein auf maximale Geschwindigkeit ausgelegt wurden, waren ihre nicht ganz unkritischen Flugeigen­schaf­ten. Vor allem die hohen Landegeschwindigkeiten erforderten erfahrene Piloten im Cockpit.

1931 produzierten die Granvilles dann mit dem Model Z ihre erste reinrassige Rennmaschine, die optisch bereits stark den späteren Gee Bee R-1 und R-2 ähnelte. Sie entstand ausschließlich mit dem Ziel, die prestigeträchtige, amerikanische Thompson Trophy zu gewinnen und tatsächlich gelang ihr das auch. Doch nicht nur das, die Gran­­­­ville Z konnte auch bei den darauffolgenden Na­t­ional Air Races fünfmal hintereinander den ersten Platz belegen und übertraf damit alle Erwartungen. Unter an­­derem hatte die Rennmaschine dabei im geschlossenen Kreis von 100 Meilen Länge eine Durchschnitts­geschwin­digkeit von 236 Meilen pro Stunde erreicht – entspricht 380 Stundenkilo­meter. Für die damalige Zeit eine Sen­sation. Barfußpilot Lowell Bayles versuchte dann im Lau­fe desselben Jahres noch mehrmals einen neuen Ge­­schwin­­­­­digkeitsrekord mit der Granville Z aufzustellen, was ihm dann am 01. De­­zem­ber mit 453 Stundenkilo­me­tern auch fast gelang.

Bei einem erneuten Versuch Bayles, den Weltrekord zu knacken, kam es dann am 05. Dezember 1931 zur Katas­trophe: Das Flugzeug stellte sich im Hochgeschwindig­keits­­­­flug plötzlich auf, wobei ihr infolge der schlagartigen Über­belastung die Hälfte der rechte Fläche abgerissen wurde. Dass daraus resultierende, unkontrollierbare Trudeln, führte zum sofortigen Absturz, der Bayles das Leben kostete.

Wie die spätere Auswertung der Filmaufnahmen ergab, war die Ursache für diesen Absturz banal und tragisch zugleich: Der Tankdeckel der Maschine hatte sich im Flug gelöst und den Piloten am Kopf getroffen, sodass dieser das Bewusstsein und damit die Kontrolle verloren hatte. Dennoch hatte Lowell Bayles einen neuen Geschwindig­keits­­­weltrekord aufgestellt, der ihm am 14. Januar 1932 postum zuerkannt wurde.

Die Stunde der Super Sportster
Der tödliche Absturz konnte die Granville-Brüder nicht davon abhalten, 1932 eine weitere extreme Renn­ma­schi­ne zu entwickeln: Die Gee Bee R-1 Super Sportster. Ein Flugzeug, das quasi um einen riesigen Pratt & Whitney Neunzylinder-Sternmotor mit einem Durchmesser von 1,28 Meter herumgebaut worden war und bei dem der Pilot ganz hinten, unmittelbar vor dem Seitenruder sitzen musste, damit der Schwerpunkt halbwegs passte.

Aus praktischen Gründen wurde die Super Sportster, wie auch alle anderen Granville Air Racer, in konventioneller Holzbauweise mit verspannten Flächen aufgebaut. Dabei war der riesige Rumpfquerschnitt ein notwendiges Übel um den völlig überdimensionierten Sternmotor unterbringen zu können. Auch das Verhältnis von Rumpfdurch­messer zu Rumpflänge von 1:3,5 war durch die Aero­dynamik fest vorgegeben und verlieh der Gee Bee Super Sportster letztendlich ihr ungewöhnliches Aussehen.

Die Granvilles führten im Windkanal der Universität von New York zahlreiche Versuche mit Mahagoni-Modellen der Super Sportster im Maßstab 1:10 durch, um auch die ideale Position der Tragflächen zu ermitteln und bei den gegebenen Abmessungen ein Maximum an Flugstabilität zu erhalten. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass eine Anordnung der Tragflächen genau zwischen einer Tiefdecker- und einer Mitteldeckerkonstruktion den besten Kompromiss bot.

Im Grunde war die R-1 speziell dafür entwickelt worden, die Thompson Trophy zu gewinnen, was Pilot Jimmy Doolittle am 05. September 1932 dann auch tatsächlich gelang. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit bei diesem Rennen hatte 407 Stundenkilometer betragen und erstmals in der Geschichte der Air Races hatte Doolittle seine Konkurrenten während des Rennens sogar überrundet. „Sie fliegt wie ein Ge­­schoss!“, sagte Doolittle nach dem Rennen über die R-1 Super Sport­ster. Später teilte er den Granville-Brüdern in einem Brief mit, dass die Gee Bee wirklich perfekt fliege und er ihnen weiter viel Erfolg im Rennflugzeugbau wünsche.

Die zweite Rennmaschine, die 1932 in Springfield entstanden war, trug die Bezeichnung R-2 und unterschied sich optisch kaum von der R-1. Im Gegensatz zur ersten war sie jedoch mit einem zierlicheren Pratt & Whitney R985-Triebwerk mit einem Durchmesser von nur 1,16 Meter und 535 PS ausgestattet, wodurch die Trieb­werks­verkleidung etwas stromlinienförmiger gestaltet werden konnte.

Ein weiterer Unterschied des Langstreckenrennflugzeugs R-2 zur R-1 waren ihre beiden Tanks mit einem Fas­sungs­­vermögen von insgesamt 300 Gallonen (1.125 Liter), während der Tank der R-1 nur 160 Gallonen (600 Liter) aufnehmen konnte. Zudem war die R-2 mit einem starren Spornrad ausgestattet, während die R-1 ein lenkbares Spornrad hatte. Last but not least, war nur die R-2 mit Positionsleuchten ausgerüstet, den sie war speziell für das Bendix Transcontinental Rennen vorgesehen. Leider konnte Pilot Lee Gehlbach dann mit der R-2 aufgrund einer gerissenen Ölleitung nur den vierten Platz belegen.

Herbe Rückschläge
1933 mussten die Granville Brüder dann ein ganze Reihe harter Rückschläge einstecken. Die Unglücksserie begann bereits während des Bendix-Rennens, als Rennpilot Russell Thaw die R-2 in Indianapolis so hart aufsetzte, dass sie dabei beschädigt wurde. Obwohl die Granvilles die Maschine vor Ort wieder instand setzen konnten, weigerte sich Thaw, wieder ins Rennen einzusteigen. Kurze Zeit später stürzte dann Russell Boardman, der mit der R-1 am selben Rennen teilnahm, kurz nach seinem Start in Indianapolis tödlich ab.

Zu allem Unglück raste dann im September 1933 die 25-jährige Sportpilotin Florence Klingensmith mit einer Gee Bee Y während des Phillips Trophy Free-For-All Race in Chicago in einen Baum und verlor dabei ihr Leben. Ende 1933 war die Granville Brothers Aircraft Company dann pleite. Ihre Maschinen hatten während der Renn­saison von 1933 kein einziges Rennen gewonnen, aber mehrere Menschenleben gefordert. Der letzte Akt der Tragödie ereignete sich dann im Februar 1934. An diesem Tag wollte Zantford Granville den letzten Sport­ster zu einem Kunden überführen. Unterwegs bekam er dann Probleme mit seinem Triebwerk und entschloss sich daher zu einer Zwischenlandung in Spar­tan­burg, South Carolina. Im Landeanflug bemerkte Zantford dann plötzlich Bauarbeiter auf der Landebahn, wodurch er zum Durchstarten gezwungen wurde. Dabei versagte das Triebwerk der Sportster und es kam zum Absturz.
Zant­ford Granville starb auf dem Weg ins Kran­kenhaus.

Zurück blieb eine der umstrittensten Flug­zeug­konstruk­tionen der gesamten Luftfahrt­ge­schich­te, nämlich die Gee Bee Super Sportster. Während viele halbwissende Luftfahrt-Enthusiasten die Gee Bee gerne als Killer-Ma­schine bezeichnen, bewundern Experten bis heute die fortgeschrittene und ausgefeilte Aerodynamik der insgesamt 22 gebauten Gee Bee-Versionen und verweisen auf die wirklich erfahrenen Piloten, die die Gee Bees sicher im Griff hatten und damit überlegene Siege erringen konnten.

Museumsflieger
Die beste Replika einer Gee Bee R-1 steht heute als Num­mer 11 im San Diego Air & Space Museum in Kalifornien. Sie wurde von den Mitarbeitern des Mu­­seums nach Ori­ginalplänen gebaut, die von der Familie Granville nur unter der Bedingung zur Verfü­gung ge­­stellt wurden, dass die Gee Bee weder fliegen noch je­­­mals verkauft werden darf. Von der Gee Bee R-2 gibt es sogar eine fliegende Replika mit der Nummer 7, die 1991 von zwei amerikanischen Luftfahrten­thu­sias­ten gebaut und viele Jahre lang erfolgreich bei Airshows geflogen wurde. Heute steht diese Maschi­ne im „Fantasy of Flight“-Museum in Polk City, Florida.