Knufffaktor

Knufffaktor

Gentlemen, let’s have a race! Rein in die Kiste klettern, Kabine schließen. Bordnetz ein, Brandhahnhebel auf. Ein halbes Bar Druck im Tank aufbauen, Benzin einspritzen. Der Zündschlüssel wird gesteckt und nach dem Ziehen der Zündverstellung sowie des Anlasser-Zuggriffs springt der mächtige Antrieb der anderthalb-Tonnen-Maschine mit beeindruckendem Getöse an.

Ja, träum’ weiter. Die Realität ist in diesem Fall völlig un­­spektakulär: Sender an, Antriebsakku einstecken, der Reg­­­ler piepst „tüde-lüt (pause, pause) – tütütüt (pause) – tüütüüt“. Fertig. Lächerliche 350 Gramm (g) Fliegen­ge­wicht und 900 Millimeter Depron-Spannweite rollen leichtfüßig zum Startplatz, um sich nach drei Metern Rollstrecke fröhlich in die Luft zu heben.

Was soll das denn jetzt? Bei dem starken Wölb-Profil ist dieses dickliche Fluggerät, komplett aus 6-mm-Depron, nicht einmal schnell. Und kein Querruder – oh Gott! Mit Vernunft ist dem offensichtlich nicht beizukommen. Bleibt nur noch ein Argument, das zählt: Die Kiste ist einfach nur knuffig. Und fliegt sich total unkompliziert – für jeden Ein­steiger und ambitionierten Depron-Bastler bestens geeignet. Als Antrieb genügt ein preisgünstiger und überall verfügbarer Shockflyer-Antrieb der 30-g-Klasse und ein 2s- oder 3s-LiPo – was man so rumliegen hat. Zwei 9-g-Servos liegen bestimmt auch noch irgendwo in der Schublade.

Easy going
Der Bau der „Pinkus Special“ beginnt mit dem Herun­terladen des Bauplans von www.modell-aviator.de sowie dem skalierungsfreien Ausdrucken der einzelnen DIN A4-Seiten. An den Schneidlinien müssen nur wenige Blät­ter mit Tesafilm zusammengeklebt werden, dann kann man schon beginnen. Die Einzelteile sind auf dem Papier grob vorzuschneiden und mit einem Hauch Sprühkleber auf Depron gegen Verrutschen zu fixieren. Das Teile-Schneiden gelingt prima mit einer frischen Skalpellklinge durch das Papier hindurch. Als Schneidunterlage kommt ein Rest Depron zum Einsatz.

Bei diesem Modell wird fast ausschließlich Depron verwendet, lediglich am Motorträger ist 4-mm-Pappelsperrholz notwendig. Das lässt den Bau schnell und unkompliziert von der Hand gehen.

Mit dem Rumpf geht es los. Die vier Spanten sind ja einfach gehalten. Erst danach geht’s mit einer Besonderheit weiter. Die Rumpfseitenteile werden aus einem rechteckigen Roh-Zuschnitt herausgetrennt, der zuvor auf eine definierte Wölbung gebracht wird. Das lässt den Bauch hinterher nicht ganz so kastig erscheinen und trägt wesentlich zum sympathischen Aussehen bei.

Trennen Sie also zunächst die Rumpf-Rohteilkontur aus. Und nun ein wichtiger Tipp: Vor dem Wölben schleifen Sie das Material beidseitig mit einer 80er-Schleiflatte kurz an, bis die seidenmatt glänzende, spröde Oberflächen­schicht stumpf erscheint. Dadurch werden sich beim Wölben keine Risse in der Oberseite bilden und das For­men geht viel leichter von der Hand. Anpressend über eine Tischkante gezogen, geben wir dem Bauteil seine gewün­schte Biegung, die sich an­­hand einer Kontur­scha­blone kontrollieren lässt. Von die­­sem gewölbten Roh-Teil benötigen wir natürlich zwei, da wir zwei spiegelbildliche Rumpfseitenteile gemäß der Bau­plan­­zeichnung erhalten wollen. Gemein­sam mit den Spanten sowie dem Rumpfrücken und dem Rumpfboden entsteht so in null Komma nichts der voluminöse Rumpf. Da die Bohrungen und Schlitze zur positionsgenauen Bowdenzugdurchführung bereits in­­tegriert sind, ist der RC-Einbau später ebenfalls ein Klacks.

Trickreich
Die Pinkus Special besitzt einen einteiligen Flügel, der es in sich hat. Neben einer V-Form ergibt sich allein durch die Formgebung eine Schränkung, was einem besonders gutmütigen Abreißverhalten zugute kommt. Damit hier alles ganz bestimmt verzugsfrei gelingt, haben die Rippen eine integrierte Bauhelling. Aber erst einmal der Reihe nach. Wie beim Rumpf werden die Flügel ebenfalls aus einem vorgewölbten Roh-Teil herausgetrennt. Da Sie ja dabei schon etwas Übung haben, fällt es nicht schwer, hier besonders sorgfältig auf Verzugsfreiheit und Kon­turgenauigkeit zu achten. Lassen Sie sich dabei Zeit und biegen das Bauteil so lange hin und her, bis es wirklich ein kerzengerades Profil behält. Nach dem Heraustrennen der Flügelteile können diese erst einmal beiseite gelegt werden, denn nun kommt der Unterbau.

Und jetzt wird es richtig trickreich. Trennen Sie zunächst die Rippenbauteile mitsamt ihrer Unterfütterung aus dem Depron heraus. An der Unterseite sind Aussparungen für eine Nut- und Feder-Verbindung einzuschneiden, damit die Rippen auf zwei speziellen Trägerstreifen einfach aufgesteckt werden können. Doch vorher trennen Sie an der unteren Rippenkontur jede Rippe von ihrem Träger und kleben sie sogleich mit etwas Krepp-Klebeband wieder dort fest. Dadurch können Sie später den fertigen Flügel im Handumdrehen durch bloßes Abziehen der Klebeband­streifen von seiner Bauhelling lösen.

Und los geht’s. Die fertig zusammengesteckte Rippen-Bauhelling wird mit den Flügelhälften belegt. Wenn Sie mit Beli-Zell PU-Leim arbeiten, füllen sich alle Spalte von allein und Sie müssen lediglich mit ein paar Streifen Krepp­band die Flügelteile auf den Rippen bis zum Aus­härten fixieren. Schneiden Sie nun auch den schmalen Schlitz zur Aufnahme des 6 × 1-mm-CFK-Flachprofilolms ein und setzen diesen dort mit wenig PU-Leim ein. Ein Tipp: decken Sie die gesamte Oberfläche des Holms mit Tesafilm ab. Dasselbe gilt für die Knickstelle der beiden Flügelhälften. Dann quillt der Leim nicht heraus. So bleibt später ganz ohne Nacharbeit, nur durch Abziehen des Klebestreifens, eine sehr glatte Fläche zurück. Vo­­rausgesetzt, er konnte in Ruhe aushärten. Und noch ein Hinweis: Auf der eingeschalteten Heizung trocknet der Kleber in Rekordzeit.

Reine Formsache
Bevor Sie das Ganze in geradezu weihnachtlicher Vorfreude auspacken können, sollte der Holm an seinem Knick beidseitig mit zwei kurzen Abschnitten desselben CFK-Profils verstärkt werden. Einfach etwas De­­pron dort wegschneiden und mit Styropor-verträglichem Sekunden­kleber – oder alternativ Fünfminuten-Epoxy – die beiden Schienen einsetzen. Die Leitwerke sind dagegen reine Formsache. Die Scharniere können aus Tesafilm bestehen oder nach der mittlerweile sehr beliebten Uhu-Por-Methode. Eine Anleitung dazu finden Sie im Bauplan. Speziell passende Ruderhörner sind dort ebenfalls vorgesehen, die kann man aus 1-mm-Sperrholz aussägen.

Nachdem der Rumpf seine Buchenrundholzdübel zur Gummiringbe­festigung der Tragfläche erhalten hat, kann letztere zur Probe aufgeschnallt werden. Sie werden feststellen, dass der halbrunde, ausgesparte Teil im vorderen Bereich dazu dient, die hintere Zunge der Motorhaube exakt aufzunehmen. Dadurch fließen Rumpf und Flügel an dieser Stelle sauber ineinander über und gleichzeitig ist eine Zentrierung des Flügels gewährleistet. Mit aufgeschnalltem Flügel kommt nun winklig dazu das Leitwerk hinten dran.

Viel fehlt ja jetzt nicht mehr. Vorne dient ein spezieller Sperrholz-Mo­tor­träger dazu, den im Bauplan vorgeschlagenen Brushlessmotor Dymond AL-2822 sauber in Rückwandmontage aufzunehmen. Wenn Sie andere Antriebe verwenden, muss an dieser Stelle entsprechend angeglichen werden. In Jedem Falle lassen sich Motorsturz und Seitenzug anhand eines Kontrollbauteils prüfen, bevor der Motorspant mit Fünfminuten-Epoxy dauerhaft festgeklebt wird.

Schichtbauweise
Das Fahrwerk besteht aus 1,5-mm-Stahldraht und umfasst zwei einzelne Bügel. Diese werden im Achs-Bereich mit einem Nähgarnwickel und einer dünnflüssigen Sekun­denklebertränkung zusammengefasst. Das gelingt umso besser, je präziser die Bügel vorher anhand der Bauplan-Kontur zurechtgebogen wurden. Zur optischen Verklei­dung kommt noch ein Depron-Bauteil hinzu, welches mit Hilfe von wenigen Klebebandstreifen am hinteren Bügel befestigt wird. Dasselbe gilt für die Radpuschen, die sich aus fünf Schichten Depron zu einer geschlossenen Hülle zusammensetzen. Diese wird nachträglich mit Schleif­papier verrundet. Ein Tipp noch zum Klebeband: Glasfilamentband, so genanntes Strapping-Tape, gibt es beispielsweise bei www.epp-versand.de oder auch im gutsortierten Bürobedarfshandel in schmal (19 mm Breite) mit bidirektionalen Fasern von 3M. Das Zeug klebt auf Depron besser als alles was ich bisher gesehen habe.

Etwas ungewohnt ist die Befestigung des Fahrwerks unter dem Rumpf, denn wir schnallen es mit Gummiringen fest. Das hat einen guten Grund. Für den Sommer werde ich noch schicke Depron-Schwimmer als Bauplan nachreichen, und die sollen im Handumdrehen auszuwechseln sein. Lassen Sie sich überraschen.

Finish
Servos, Empfänger, Motorstellerverkabelung. Alles reine Formsache. Spiegelklebeband hält die Rudermaschinen innen an der Rumpfseitenwand fest. Zur Sicherheit gehe ich dort noch mit Beli-Zell nach. Mit der Zeit kann sich das Klebeband alleine auch schon mal lösen.

Für die stilsichere 30er-Jahre-Lackierung gibt’s im Bauplan passende Schablonen, anhand derer sich die Konturen mit schwar­­­­­zem Edding aufs Modell übertragen lassen. Die Farb­flächen malt man daraufhin mit wasserbasierender Abtönfar­be und einem weichen Pinsel aus. Jetzt fehlt nur noch eine Kleinigkeit: Aus Overhead-Folie entsteht vorn die Wind­schutz­­­­scheibe, die mit Uhu Por angeklebt wird. Dahinter sitzt ein seltsam grinsender Typ, der gleichzeitig das Akku­fach hütet. Bleibt nur noch eins: Wann darf denn der Pilot bei Ihnen mal in die Luft?