Zugmaschine

Werbefachleute würden wohl von „eigenständiger Optik“ sprechen, wenn sie den nostalgisch filigran wirkenden Retro-Look des Graupner-Kadett 2400 beschreiben sollten. Doch das Zweckmodell hat POTENZIALE und entwickelte sich in kurzer Zeit zum ELEKTROSCHLEPPER schlechthin. Der Beitrag möchte einige erprobte Antriebsvarianten vorstellen. Dabei drängt sich natürlich ganz zu Anfang die Frage auf, was denn wohl einen guten Schlepper im Allgemeinen und einen Elektroschlepper im Besonderen auszeichnet? Einige einführende Thesen sollen das Thema umreißen. Im Einzelnen 1. Wer schleppt, der leistet nicht bloß Aufstiegshilfe. Er übernimmt Lenkung und Verantwortung für Nachfolgende. Der Schlepper gibt auch die Richtung vor. Er sollte in der Lage sein, diese selbst dann noch zu halten, wenn der nachfolgende Segler mal ein bisschen aus der Spur läuft. Hier ist ein hohes Maß an Richtungsstabilität erwünscht, damit der Schlepppilot neben dem Steuern des eigenen Modells auch noch den Geschleppten im Augenwinkel behalten kann. Sonst passiert es schnell, dass der berühmte Schwanz mit dem Hund wackelt. 2. Gute Führung setzt scharfe Beobachtung voraus. Beim Modellflug beschränkt sie sich auf die optische Wahrnehmung. Ausladende Dimensionen sind hierbei vor allem in großer Höhe sehr hilfreich. Nicht ohne Einfluss auf die Lageerkennung ist auch eine sinnvolle Farbgestaltung des Schleppers. 3. Wer Verantwortung trägt, ist Dienstleister. Er stellt seine Kraft vorwiegend in die Dienste ­anderer. Gut, wenn er nicht mit sich selbst schon genug zu tun hat. Ergo sollte das Schleppflugzeug ein beachtliches Leistungsgewicht aufweisen. Wir sprechen von mindestens 300 Watt pro Kilogramm Flugmasse – bezogen auf das Schleppmodell. 4. Doch Leistung pur ist noch nicht alles. Zu beachten wäre auch, wie sie zustande kommt. Und hier gerät man oft ganz schnell in die Bredouille. Legt man die Zugmaschine nämlich zu einseitig auf Standschub aus, so mögen die Starts zwar perfekt gelingen, aber spätestens bei der ersten Kurve mit Rückenwind sackt dann ein schneller Segler durch. Bekanntlich ist es von Vorteil, wenn der Segler stets etwas über dem Schlepper fliegt, damit der aufrichtende Einfluss des Leinenzugs auf den „Vordermann“ in Grenzen bleibt. Somit gehört auch ein hinreichendes Maß an Fluggeschwindigkeit ins Portfolio, damit der Segler aus eigenem Auftrieb steigt und nicht einfach „geliftet“ wird. 5. Und natürlich sollte der Schlepper stabil genug sein, auch Passagen weniger gelungenen Zusammenspiels zwischen vorne und hinten schadlos zu überstehen. Das Schleppmodell muss also im Bereich der Krafteinleitung durch die Schleppkupplung stark genug oder zumindest so nachrüstbar sein, um auch dann, wenn der Schalter zum Seilabwurf erst viel zu spät gefunden wurde, nicht gleich in der Luft zu zerfleddern. Kurz: Auch Nehmerqualitäten sind gefragt. 6. Der Energienachschub muss gesichert sein. Es ist die bekannte Krux aller Elektroantriebe, dass die Reichweite des Energiespeichers eben Grenzen hat, das „Nachtanken“ länger dauert und elektrische Energie (noch) nicht überall in unbegrenzten Mengen zur Verfügung steht. Hier gibt es nicht die Ideallösung, wohl aber verschiedene Lösungsansätze: Weniger Energie (namentlich Strom) verbrauchen ist dabei sicher nicht der Schlechteste. Dieses ist mit Leichtbau wie mit gutem Antriebswirkungsgrad zu erreichen. Große Akkus sind eine weitere Möglichkeit, verschlechtern aber die Gewichtsbilanz. Auch in den Schlepppausen immer wieder schnell mal Nachladen zählt zu den bewährten Möglichkeiten, wobei hier neben schnellladewilligen LiFe-Akkus auch die Platzinfrastruktur (leistungsstarke Stromversorgung) eine Rolle spielt. Wir können alles außer Scale Schon beim Betrachten des rohbaufertigen Kadetten, wie er von der schwäbischen Firma Graupner für 419,– Euro in einem geräumigen Kartonabteil über den Ladentisch kommt, wird klar, dass dieser gute Chancen hat, die obige Sechs-Punkte-Testreihe mit Bravur zu bestehen. Nur eines darf man eben nicht von ihm verlangen: Vorbildähnliches Aussehen. Wer also glaubt, dass eine durch transparente Folie sichtbare Baustruktur mit rechteckigen Konturen nicht mehr In sei und somit auch nicht seinem individuellen Bedürfnis nach Zeitgeistkongruenz entspricht, ein Modell vielleicht sogar unbedingt einem manntragenden Vorbild gleichsehen müsse, der möge sich bei den zahlreich angebotenen Piper Cubs, Wilgas und Pilatus Portern umsehen. Alle übrigen jedoch dürfen sich eingeladen fühlen zu einer Entdeckungsreise durch die Elektroschlepperszene, in der sich der Kadett in verschieden Varianten erfolgreich entfalten konnte. Der Kadett 2400, die Zahl steht für die Spannweite, wird von Graupner mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Eignung als Elektroschlepper angeboten. Die Steuerung erfolgt über alle Ruder (Seite, Höhe, Quer). Der Hochdecker verfügt zudem über groß dimensionierte, unten angeschlagene Bremsklappen. Sie müssen über die beiliegenden Außenscharniere noch montiert werden. Alle anderen Ruderklappen waren bei der neuesten Baukastenversion bereits befestigt. Die Scharniere neueren Datums sind zudem alle verstiftet. An Sicherheit wurde also gedacht. Die mittig geteilten Tragflächenhälften verbindet ein Alurohr mit 32 Millimeter (mm) Durchmesser. Der Einbau einer Schleppkupplung (Best. Nr. 7891 im Graupner-Programm) in die Flächenwurzel ist optional. Da die beiden Höhenruderhälften von je einer Rudermaschine getrennt angelenkt werden, beschäftigt der große Kadett bei Vollausbau somit acht fleißige Servos. Als Basismotorisierung empfiehlt man bei Graupner den hauseigenen Außenläufermotor Compact 610 Z (29,6 V) mit 6s-LiPos. Bei dieser Antriebsausstattung bleibt das Modell anstrengungslos unter dem 5-Kilogramm-Limit, sodass auch von Plätzen ohne behördliche Aufstiegserlaubnis gestartet werden darf. Minimalmotorisierung Das Flugverhalten dieser Grundversion konnte im Umfeld des Autors denn auch gleich nach dem Marktstart ausgiebig studiert werden. Trotz seiner XXL-Dimensionen wirkt der Eco-Kadett schon überraschend agil, bereit zu allerlei luftigem Schabernack, der bei entsprechender Könnerschaft durchaus wie Kunstflug aussehen kann. Gleichwohl sind es aber mehr die hinnehmenden, als die gestalterischen Qualitäten, die den Kadett 2400 bei all jenen punkten lassen, die es doch lieber etwas gemütlicher hätten. Das Flugmodell hebt bereits nach wenigen Metern Rollstrecke sicher ab, auch ohne dass die Klappen an der Flächeninnenseite nach unten gestellt wurden. Tut man dies in zurückhaltendem Maße, bis zu 30 mm an der Hinterkante, so lässt sich beinahe schon von Kurzstartfähigkeit sprechen. So präpariert, lassen sich dann auch – ohne Hang zu riskantem Übermut – tiefe, langsame Vorbeiflüge zelebrieren. Schnell findet auch der Anfänger heraus, dass sich bei Klappeneinsatz zur Auftriebserhöhung die Höhenruder-Hinterkante etwa 3 bis 4 mm absenken sollten. Wer diesbezüglich volle Dröhnung und bis zu 90 Grad Klappenausschlag wünscht, tut allein schon wegen der Hebelverhältnisse gut daran, dort etwas kräftigere Servos eingebaut zu haben. Bei 10 mm Tiefenruderbeimischung und stark reduzierter Laufgeschwindigkeit der Klappenservos wird der Übergang von der Arbeits- in die gebremste Abstiegsphase sehr harmonisch erfolgen. Denn ganz senkrecht nach unten in den Wind gestellt sind die Klappen dann eher als Sturzflugbremse, denn als Auftriebshilfe gedacht. Gelandet wird sowieso besser mit reduziertem Klappenausschlag. Apropos Landung: Was immer noch nicht so recht zu dem filigran wirkenden Modell passen will, ist das zweiteilige, äußerst harte Alufahrwerk. Es bedarf einiger Einübung, hiermit sprungfrei quasi am ersten Wochentag zu landen. Hier lohnt sich durchaus, über eine kleine Zusatzinvestition nachzudenken und die gestanzten Blechteile noch vor dem Erstflug zu entsorgen und sie durch ein meist auch leichteres GFK-Fahrwerk entsprechender Größe zu ersetzen, zum Beispiel von KHK, siehe www.khk-flugmodelle.de/produkte.php?opt=Fahrwerke Die hier beschriebene 6s-Ausführung wurde versuchsweise auch zu Schleppendiensten animiert. Das Ergebnis taugt zum Nachweis prinzipieller Befähigung. Dabei gilt es, sich vor der oben beschriebenen Steigungs-Drehzahl-Falle in Acht zu nehmen. Am besten taugt wohl der 16 × 12-Zoll-Sonic-Propeller von Graupner, der es mit 6s-LiPos und 3.300 Milliamperestunden (mAh) Kapazität bei mittlerer Entladetiefe bei etwa 42 Ampere (A) auf 6.400 Umdrehungen pro Minute (U/min) brachte. Geht man mit dem Durchmesser hoch und der Steigung zurück, so fehlt beim Steigflug rasch der wünschenswerte Speed. Rüstet man andererseits bei dieser Motorversion zwei Zellen nach und gelangt damit zu 8s-LiPos, so werden die verfügbaren „schnellen“ Propeller im Durchmesser schon wieder ziemlich klein.
 

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